„Rita Vaupel ist die Mutter der Marburger Tafel.“ Mehrmals wurde die Ehefrau des früheren Oberbürgermeisters Egon Vaupel am Freitag (9. Februar) so charakterisiert.
„Das Gesicht der Marburger Tafel“ hat am Freitag (9. Februar) im dicht gefüllten Historischen Saal des Rathauses das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies überreichte Rita Vaupel die vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier verliehene Auszeichnung mit den Worten: „Niemand hat das mehr verdient als Du.“
Spies blickte zurück auf viele Jahrzehnte, die er die Geehrte schon kennt: „Als kleiner Steppke habe ich Dich kennengelernt. Schon damals warst Du Sozialdemokratin und zutiefst davon überzeugt, dass es wichtig ist, Verantwortung zu übernehmen.“
Der Oberbürgermeister würdigte die gelernte Bürokauffrau für ihre Warmherzigkeit und ihr Fingerspitzengefühl, mit dem sie Menschen egegne. „Du lässt niemals das Gefühl aufkommen, dass jemand nicht auf Augenhöhe mit Dir spricht“, beschrieb er ihre Gesprächsführung. Gleichzeitig sei sie hartnäckig und nerve notfalls auch, wenn sie nur dadurch ihre Ziele erreichen könne.
Seit Gründung der Marburger Tafel im Jahr 2000 ist Vaupel mit dabei. Damals hatte Karl Schnabel den Verein mit sieben Aktiven und sieben Beziehenden von Lebensmitteln gegründet. Ziel war dabei nicht nur die Unterstützung sozial benachteiligter Menschen, sondern auch die Verwertung von Lebensmitteln, die sonst auf dem Müll gelandet wären.
2024 hat die Tafel sieben Ausgabestellen im Landkreis Marburg-Biedenkopf und der Stadt Marburg. 3.300 Menschen beziehen regelmäßig Lebensmittel von der Tafel. 800 weitere stehen auf der Warteliste.
300 Ehrenamtliche arbeiten mit, um sie alle mit Essen zu versorgen. Der Verein hat 500 Mitglieder. Diese gesamte Organisation leitet Vaupel seit 2003 ehrenamtlich als Vorsitzende des Vereins „Die Tafel Marburg“.
Während andere Tafeln bundesweit unter sinkendem Spendenaufkommen sowohl bei Geld- wie auch bei Sachspenden leiden und einige sogar kurz vor der Auflösung stehen, stehe die Marburger Tafel vergleichsweise gut da, berichtete Spies. „Das ist nicht zuletzt auch das Verdienst von Rita Vaupel, die eine weitsichtige strategische Ausrichtung der Marburger Tafel auf den Weg gebracht hat. Sie ist kreativ und innovativ und manchmal auch nervig.“
Ihre Aufgabe bestehe darin, Mitarbeitende zu motivieren, Spenden zu aquirieren und anstehende Probleme zu lösen. Dieses Ehrenamt sei ein Vollzeitjob, der dem Management eines mittelständischen Unternehmens entspreche. Ihr Ehemann Egon Vaupel halte ihr dabei den Rücken frei, seitdem er aus dem Amt als Oberbürgermeister der Stadt Marburg ausgeschieden ist.
Neben ihrem Ehrenamt für die Tafel engagiert sich Vaupel auch für behinderte Waisenkinder in Bulgarien. „Im Gegensatz zu anderen bezahlt sie ihre Reisekosten selbst“, lobte Spies das Engagement Vaupels All das tue sie aus der tiefen Überzeugung, dass sie die Verantwortung übernehmen müsse.
Ihr Engagement mache ihr Spaß, betonte Vaupel. Auch wenn es manchmal anstrengend sei, bekomme sie doch so viel zurück. „Wenn man in die Augen der Kinder bei der Kindertafel in Stadtallendorf blickt, dann weiß man, wofür man es tut“, erklärte sie.
Sie dankte den vielen Helferinnen und Helfern, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. „Diese Auszeichnung gehört Euch allen“, wandte sie sich an die anwesenden Aktiven der Tafel. „Sie gehört auch denen, die wir versorgen dürfen.“
Deutlich wies Vaupel die Vorstellung zurück, die Tafel könne an die Stelle staatlicher Sozialleistungen treten. „Der Staat ist in der Pflicht, für ausreichende Sozialleistungen zu sorgen“, betonte sie unter dem Beifall der über 100 geladenen Gäste. „Die Tafel ist für diejenigen da, die durch das Raster der Sozialsysteme hindurchfallen oder aufgrund besonderer Bedingungen der Unterstützung bedürfen.“
Am Ende ihrer Dankesrede äußerte Vaupel auch Wünsche. So wolle sie künftig die Lebensmittel nicht mehr in Kellerräumen verteilen müssen, sondern in angemessenen Räumlichkeiten. Alle Anwesenden forderte sie auf, sich ebenfalls ehrenamtlich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen für das demokratische Miteinander.
* Franz-Josef Hanke