Geburtstagskind geehrt: Antifaschist Dieter Woischke wurde 100 Jahre alt

Unter dem Motto „Marburg unterm Hakenkreuz“ feierte er seinen 100. Geburtstag mit einer Auszeichnung. Dieter Woischke erhielt die Goldene Ehrennadel der Stadt Marburg.
Dieter Woischke kennt Marburg wie kaum ein anderer – seit 70 Jahren engagiert er sich in zahlreichen Bereichen in der Universitätsstadt. Auf der Veranstaltung „Marburg unterm Hakenkreuz – Wir feiern mit Dieter Woischke seinen 100. Geburtstag“ überreichte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies ihm die Goldenen Ehrennadel der Universitätsstadt Marburg für sein jahrzehntelanges unermüdliches und beispielgebendes Wirken.
Woischke wurde im Jahr 1924 in Schlesien geboren. Nach Beendigung seiner Schulausbildung absolvierte er eine Lehre als Flugzeugmechaniker, bevor er sich 1941 freiwillig zum Kriegsdienst als Fallschirmjäger meldete. Nach seiner Entlassung aus der amerikanischen Gefangenschaft im Jahr 1945 begleitet er einen Freund aus Marburg in die Universitätsstadt und lebt dort bis heute.
Der entschiedene Kriegsgegner zeigt seit mehr als 70 Jahren herausragendes Engagement. Dafür hat er nun die Goldene Ehrennadel der Universitätsstadt Marburg verliehen bekommen.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies gratulierte Woischke zu seinem 100. Geburtstag: „Besonders heute ist deine Arbeit zum Nationalsozialismus unverzichtbar. In dieser Zeit, in der nahe am Wannsee eine Konferenz zu Deportationen stattfindet, sind Zeitzeugen wie du wichtig. Wir brauchen eine Erinnerungskultur, die über den Geschichtsunterricht in der Schule hinausgeht und die hast du in einzigartiger Weise geschaffen.“
Mit diesen Worten überreichte Spies Woischke die Goldene Ehrennadel der Universitätsstadt Marburg. KFZ-Geschäftsführerin Anna Lena Rothenpieler gratulierte Woischke ebenfalls: „Seit 1992 sind Sie insgesamt 16-mal bei uns im KFZ aufgetreten und Sie sind der älteste Künstler, der je auf dieser Bühne stand. Dennoch gehen Sie nicht in den Ruhestand – noch in diesem Jahr werden wir Ihren Vortrag zur Geschichte des Marburger Bahnhofs mit Ihnen aufzeichnen.“
Anschließend stellte Dr. Wolfgang Form von der Geschichtswerkstatt Woischkes Engagement für die Stadtgeschichte heraus und erinnerte sich an die gemeinsame Arbeit mit Woischke und dessen Dia-Sammlung: „Du hast einen Platz als Ehrenmitglied in der Geschichtswerkstatt.“ Geschäftsführerin Cornelia Dörr von Marburg Stadt und Land Tourismus (MSLT) betonte im Anschluss Woischkes vielseitiges und tiefgehendes Wissen über die Stadt Marburg und die Weitergabe dieses Wissens, unter anderem als erster Ausbilder für Stadtführer*innen und mit seinen speziell ausgearbeiteten Stadtführungen für einzelne Personengruppen. Zum Ende ihrer Rede kündigte Dörr eine Neugestaltung des Marburger Grimm-Dich-Pfades an.
Die Geschichte seines Engagements begann im Jahr 1947, als er ein Treffen der Naturfreunde Marburg besuchte. Seitdem engagiert sich Woischke in dem Verein. Im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Ortsgruppe Marburg fungierte er unter anderem als Jugendleiter, Hüttenwart sowie Gründer und Leiter des heimatkundlichen Arbeitskreises.
Außerdem initiierte er Ausstellungen, hielt (Dia-)Vorträge, Seminare und führte Wanderungen durch. Auf Landesebene brachte er sich in der Fachgruppe „Natur- und Heimatkunde“ des Vereins ein. Zudem war er über viele Jahre Vorsitzender des Bezirks „Lahn“.
Neben seinem Einsatz für die Naturfreunde engagiert sich Woischke im sozialen Bereich vor allem für ältere Menschen. Er ist seit 1981 aktives Mitglied der Arbeiterwohlfahrt Marburg, führte beispielsweise unentgeltlich zahlreiche Fahrten ins Marburger Land durch und hielt Vorträge. Besonderen Einsatz zeigte er auch im kulturellen Bereich: Seit 1969 ist er Mitglied im Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde und betätigte sich einige Jahre als Vorstandsmitglied.
Seit 1978 war Woischke sowohl Gästeführer für die Universitätsstadt Marburg als auch für den Landkreis Marburg-Biedenkopf. Neben seiner Arbeit als Gästeführer entwickelte er ein Programm für die Ausbildung von Gästeführer*innen und einen „Antifaschistischen Stadtrundgang“. Außerdem ist er seit 1979 als Kursleiter, Referent, Lokalhistoriker, Heimatkundler und als Leiter von Wanderfahrten und Studienreisen an der Volkshochschule Marburg aktiv. In all diesen Tätigkeiten zeigt sich Woischkes Wille, die Geschichte Marburgs während des Nationalsozialismus aufzuarbeiten.
Darüber hinaus hat Woischke seine Sachkenntnis auch in kommunalpolitische Ämter eingebracht. So war er beispielsweise in den Jahren von 1981 bis 1997 stellvertretendes Mitglied im Naturschutzbeirat der Universitätsstadt Marburg. Zwischen 1989 und 2006 hat er die Funktion eines „Sachkundigen Bürgers“ in der Fremdenverkehrskommission der Stadt übernommen.
Zudem hat er sich für die Städtepartnerschaft der Universitätsstadt Marburg mit der Stadt Eisenach eingesetzt. In weiteren Vereinen – beispielsweise in der Gesellschaft für Kultur und Denkmalpflege und im Heimat- und Geschichtsverein Ockershausen – ist Woischke aktives Mitglied und engagiert sich durch Führungen historischer Wanderungen und als Heimatforscher.
Bereits 1988 erhielt Woischke für sein Engagement in zahlreichen Vereinen und Organisationen für Volkskunde, Kunstgeschichte und Heimatgeschichte sowie für seine Seminare, Wanderungen, Rad- und Busfahrten in Verbindung zu den Brüdern Grimm und Otto Ubbelohde vom Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf den „Otto-Ubbelohde-Preis“. 2001 wurde er mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet. Das Land Hessen zeichnete seine Verdienste im Jahr 2011 außerdem mit dem Hessischen Verdienstorden aus.
Woischke hält weiterhin Vorträge. Insbesondere hält er immer wieder seinen wohl bekanntesten Vortrag „Marburg unterm Hakenkreuz“.

* pm: Stadt Marburg

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