Den Klassiker „Julius Caesar“ von William Shakespeare hat Jonas Schneider im Hessischen Landestheater Marburg auf die Bühne gebracht. Sein Regiedebüt im Hauptprogramm feierte am Samstag (21. Oktober) Premiere.
„Brutus, auch Du, mein Sohn?“ Caesars erstaunte Frage bildete den Aufhänger für Schneiders Inszenierung des 1599 uraufgeführten Dramas. Der Tyrannenmörder Brutus stand im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Mit seinen Augen ließ Schneider das Publikum auf die Bluttat blicken und ihre Folgen erleben.
Leider verschenkte der Jung-Regisseur jedoch die meisten Möglichkeiten, die das Stück bietet. Statt einer zugespitzten Fragestellung oder einer zeitgemäßen Interpretation des Klassikers verlor er sich über weite Strecken in selbstverliebten Regie-Einfällen und nervigen Wiederholungen.
Zwar ließ Schneider Brutus und Cassius bei den sieben Wiederholungen der immer gleichen Szene jedesmal mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck und verschiedener Intonierung auftreten, doch brachte das dem Publikum kaum nennenswerten Erkenntnisgewinn. Auch die Erwähnung von Flüchtlingen in einem Monolog Caesars ließ er ohne weitere Einbettung unhinterfragt im Raum stehen. Selbst die Frage nach Korruption durch Machtausübung und verlogenen Intrigen als Begleiterscheinung politischer Karrieren beantwortete er nicht zufriedenstellend.
Vielmehr ließ er Brutus in Gestalt von Angelina Häntsch zwar mit ihrer Tat, dem Entschluss dazu und den Folgen danach hadern, ohne jedoch das Problem zuzuspitzen. Die einzig ehrliche Haut im Ränkespiel der antiken Politik Roms verkörperte zwar eine Frau, doch hielt die Regie neben diesem Besetzungseinfall keine weiteren Hinweise auf die Interpretation der Rolle bereit. War Brutus zu ehrlich, zu dumm, zu wenig durchtrieben oder einfach nur zu gut für die Politik?
Brutus und Cassius beschließen, den Tyrannen Caesar zu ermorden. Nach seinem Tod erlaubt Brutus dem Marcus Antonius, eine Trauerrede auf Caesar zu halten. Mit geschickt formulierten rhetorischen Fragen klagt Marc Anton die Mörder an, nicht aus Vaterlandsliebe gehandelt und somit bei der Begründung ihrer Tat gelogen zu haben.
Doch stellt Schneider weder die Frage nach der Rechtfertigung eines Tyrannenmords, der Vertretbarkeit von Gewalt in der Politik oder nach ethischem Handeln, sondern lässt das alles nur vage anklingen. Caesars Monolog zu „Gut“ und „Böse“ bleibt ein ebenso unausgefeilter Einwurf wie die gebetsmühlenartig wiederholte Begründung der Verschwörer, sie hätten zum Wohle der Republik gehandelt.
Oli Friedrich trägt mit einem Schlagzeug dazu bei, dass die Szenen getrennt und vielleicht mitunter auch abgehackt und auseinandergerissen daherkommen. Manchmal jedoch steigert sein Trommeln die Dramatik. Beispielsweise trommeln die anderen Darsteller auf die Tische, als sie zwischen ihnen in den Schützengräben vor Philippi liegen und den Kampf gegen das Heer des Marc Anton erwarten.
Durch Lichtblitze lässt Schneider den Mord an Caesar nur in einzelnen Bildern erscheinen. Das erhöht gleichzeitig die Dramatik und verringert zudem die Brutalität der Szene.
Über mehrere Tische laufen die Darsteller wie auf einer Bühne umher. Zwischen den Tischen sind Lücken, in die sich hineinducken kann. Das Alles waren durchaus gelungene Zutaten zu einer interessanten Inszenierung.
Maximilian Heckmann verkörperte den Cassius durchaus mit vielen Facetten und nicht nur als üblen Mörder. Seine beschwörenden Freundschaftsbekundungen zu Brutus hatten mitunter etwas Befremdliches.
Thomas Köckritz spielte sowohl Caesar als auch dessen Freund Marc Anton. Angesichts der Aussage des Brutus, Marc Anton sei „nur der Arm Caesars“, war das durchaus angemessen. Beiden Rollen gab Köckritz Gestalt und Gewicht.
Noch besser als ihre beiden Kollegen spielte Häntsch ihre männliche Rolle. Überzeugend trug sie Zweifel und Skrupel ebenso vor wie die Überzeugung, ihren Freund Caesar zum Wohle Roms töten zu müssen.
Zu Recht erhielten alle drei Darsteller ebenso wie der Trommler freundlichen Applaus. Schneider indes sollte bei seiner nächsten Inszenierung noch einmal darüber nachdenken, was die Aufgabe eines guten Theaterregisseurs ist: Eine Inszenierung muss das Publikum packen, ihm Fragen stellen oder vielleicht sogar Antworten liefern, es aber in jedem Fall an den Stoff des Stücks heranführen.
Gerade dabei hat Schneider noch viel Luft nach oben. Zu wünschen wäre ihm, dass er sie nutzt.
* Franz-Josef Hanke