Reichsbürger: 75 Fälle in Marburg-Biedenkopf

75 „Reichsbürger“ sind den Behörden im Landkreis Marburg-Biedenkopf bekannt. Diese Zahl nannte Manfred Scholz anlässlich einer Weiterbildung zum Thema „Reichsbürger“ im Kreishaus.
Über die sogenannten „Reichsbürger“ und den Umgang kommunaler Behörden mit ihnen referierte der Justitiar Reinhard Neubauer vom Landkreis Potsdam-Mittelmark am Montag (23. Oktober) auf Einladung des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Ihm zur Seite standen Scholz von der Polizeidirektion Marburg und Roland Döhler von der Ordnungsbehörde des Kreises.
Rein zufällig war ein „Reichsbürger“ genau am selben Tag wegen Mordes zu Lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte in Georgensgmünd bei Nürnberg auf Polizisten geschossen und einen Beamten dabei getötet.
Doch längst nicht alle sogenannten „Reichsbürger“ seien gewalttätig, betonte Neubauer. Gefährlich seien die meisten allerdings durchaus. Oft komme es zu verbaler oder schriftlicher Bedrohung von Behörden und ihren Beschäftigten.
Die sogenannten „Reichsbürger“ erklärten, die Bundesrepublik existiere gar nicht; vielmehr bestehe das Deutsche Reich fort. Jede Eintreibung von Gebühren oder Schulden durch die Behörden sei „Plünderung“.
Ihre rechtliche und politisch-historische Argumentationslinie hält Neubauer dabei für sehr wackelig. Gern arbeiteten „Reichsbürger“ mit Zitaten, die sie aus dem Zusammenhang lösten und dann verfälschend benutzten. Oft erhöben sie auch völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen, die jeder realen Grundlage entbehrten.
Angesichts der Bedrohung kommunaler Beschäftigter erklärte Landrätin Kirsten Fründt die Weiterbildung über „Reichsbürger“ zu einer wichtigen Präventionsmaßnahme zum Schutz ihrer Mitarbeiter. Wichtig sei, dass sie auf mögliche Auseinandersetzungen mit solchen Argumentationslinien vorbereitet seien.
In 15 Fällen prüft der Kreis zudem die Zuverlässigkeit von Personen, die über eine waffenrechtliche Genehmigung verfügen und vermutlich der Gruppe der sogenannten „Reichsbürger“ zuzurechnen sind. Wer die Bundesrepublik und ihreGesetze rundweg ablehnt, der schüre damit begründete Zweifel an seiner Zuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts, erklärte Döhler.
Im Fall eines hochrangigen NPD-Funktionärs hatte der Landkreis Marburg-Biedenkopf gerade erst wenige Tage zuvor Recht bekommen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel erklärte die Wegnahme von 13 Waffen angesichts des fortgesetzten Engagements des Waffenbesitzers in der nationalsozialistischen Partei für rechtens. Auf ähnliche Ergebnisse hoffen die Bürger im Kreis auch bei bewaffneten „Reichsbürgern“.
Eine öffentliche Veranstaltung zum selbben Thema bieten die Universitätsstadt Marburg und die Humanistische Union (HU) um 19 Uhr im Stadtverordnetensitzungssaal an. Dort wird Neubauer die „Reichsbürger“ in Form eines Märchens vorstellen. Alle Geschichten sind dabei jedoch nicht frei erfunden, sondern wahre Begebenheiten, die großenteils aus Neubauers persönlichem Arbeitsumfeld stammen.

* Franz-Josef Hanke

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