Auch auf Enzyme: Martina Preiner startet neue Forschungsgruppe

Die Chemikerin Dr. Martina Preiner startet im Januar 2023 mit ihrer Forschungsgruppe „Geochemische Protoenzyme“. Sie leitet eine neue Max-Planck-Forschungsgruppe am MPI und dem „Zukunftszentrum Mikrokosmos Erde“.
Wie entwickelten sich die frühesten Stoffwechselprozesse zu Beginn des Lebens, und wie haben sie zur Entstehung des Lebens beigetragen? Dr. Martina Preiner ergänzt die zwei bereits bestehenden Gruppen des neuen Zukunftszentrums um einen weiteren Aspekt: Sie erforscht, wie sich an der Wiege der Evolution die Wege der belebten und der unbelebten Welt kreuzten.
Alles begann mit einer intensiven Recherche. Die studierte Chemikerin Preiner arbeitete erfolgreich als freiberufliche Journalistin, doch das Thema „Entstehung des Lebens“ ließ sie einfach nicht mehr los.
2020 promovierte sie zum Thema „Protometabolismus“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit Anfang 2023 ergänzt Preiner als Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin des Marburger Max-Planck-Instituts die Gruppen von Judith Klatt und Julia Kurth am Zukunftszentrum Mikrokosmos Erde.
Preiner interessiert vor allem, wie sich aus den chemischen Prozessen in der frühen Erdkruste die organische Chemie des Lebens entwickelte. Dreh- und Angelpunkte jeder biochemischen Reaktion sind Enzyme. Das sind Biokatalysatoren.
Erst sie vermitteln biochemische Reaktionen in der hohen Reaktionsgeschwindigkeit, die lebende Systeme brauchen. Heute steht die Menschheit vor einer schier überwältigenden Vielfalt teils hochkomplexer Enzyme.
Doch der Weg zur Entstehung des Lebens war buchstäblich steinig: Es gab zunächst nur Gase, Wasser und Mineralien. Wie also entstanden die wichtigen Biokatalysatoren?
„Die biologische Komplexität ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht sprunghaft entstanden, sondern es war ein langer und fließender Prozess, bis die ersten, lebenden Zellen existierten, vermutet die Forscherin. „Meine Hypothese ist, dass es eine Zeit gab, in der zwar noch keine Enzyme entstanden waren, dass aber bereits organische Cofaktoren existierten. Diese konnten mit Mineralien interagieren, um bestimmte Prozesse möglich zu machen.“
Preiner möchte konkrete Übergangspunkte zwischen Geo- und Biochemie ausfindig machen, indem sie die Wechselwirkungen zwischen geochemisch aktiven Systemen und Abschnitten von mikrobiellen Stoffwechseln erforscht. Die Cofaktoren stehen dabei im Zentrum ihrer Arbeit.
„Forscherkolleginnen und -kollegen haben vor einigen Jahren gezeigt, wie zentral bestimmte Cofaktoren für nicht-enzymatische, autokatalytische Netzwerke sind“, erläuterte die Chemikerin. „Und Gesteinsoberflächen könnten meiner Ansicht nach sowohl die Funktion von Cofaktoren als auch Enzymen übernehmen.“
Zusammen mit anderen Forschenden konnte Preiner bereits zeigen, dass zentrale Produkte des ältesten CO2-Fixierung Stoffwechselweges, des Acetyl-CoA-Wegs, ohne Enzyme mit mineralischen Eisenverbindungen aus CO2 und Wasserstoff (H2) entstehen können. Mineralien könnten also in einem präbiotischen Szenario die Funktion von Enzymen übernommen und mit organischen Cofaktoren reagiert haben.
Für den Redox-Cofaktor NAD ist der Nachweis bereits gelungen. Nun möchte sie diesen möglichen Ablauf für weitere Cofaktoren zeigen.
Die Mikrobiologie fasziniert die studierte Chemikerin nach eigener Aussage, weil man in ihr verhältnismäßig einfache lebende Systeme vorfindet, quasi die direkten Verwandten des letzten gemeinsamen Vorfahren (Last Universal Common Ancestor, LUCA). LUCA ist ein theoretisches Konstrukt, bei dem man den Stoffwechsel der ersten Zellen aus der genetischen Information von Archaeen und Bakterien ableitet.
Preiner möchte künftig die ältesten Organismen, die Biochemie betreiben, in ihre geochemischen Forschungsansätze einbeziehen: „Ich möchte meinen neuen Kolleginnen und Kollegen über die Schulter blicken und schauen, wie die Mechanismen im lebenden Organismus ablaufen. Das wird hier in Marburg sehr detailliert aufgeklärt. In der Forschung zum Ursprung des Lebens hat die Chemie bislang nicht ausreichend eng mit der Mikrobiologie zusammengearbeitet – insofern habe ich hier eine ganz besondere Gelegenheit bekommen, worüber ich sehr froh bin.“ Obwohl sie sich mit der Urzeit beschäftigt, hat Preiners Arbeit dennoch –
oder gerade deswegen – einen hohen Gegenwartsbezug: Ihre Arbeit verbindet evolutionäre Erkenntnisse zur Entstehung biochemischer Prozesse mit neuen Ansätzen in der industriellen Katalyseforschung. Sie sieht sich als Generalistin und ist damit im neuen Zentrum genau am richtigen Ort.
Kandidatinnen und Kandidaten, die an einer Promotionsstelle in ihrer Gruppe interessiert sind, können sich ab jetzt bewerben. Uni-Vizepräsident Gert Bange sagte: „Mit dem Start von Martina Preiner umfasst der Forschungsansatz des Zukunftszentrums Mikrokosmos Erde auf den Marburger Lahnbergen nicht nur alle Skalen des Lebens, von biochemischen Abläufen bis zu globalen Stoffkreisläufen, sondern auch belebte und unbelebte Welt, und die Zeitachse von der Entstehung des Lebens bis zur heutigen Zeit.“
Tobias Erb als Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts und Mitinitiator des Zukunftszentrums ergänzte: „Mit Martina Preiner gewinnen wir eine Person, die sich über die klassischen Disziplinen hinweg mit der Frage beschäftigt, wie aus CO2 organische Materie und Leben entstehen konnte. Aus der Vergangenheit zu lernen, um neue Lösungen für eine nachhaltige Zukunft zu finden, ist ein innovativer Ansatz, dem sie sich im Rahmen unseres Zukunftszentrums mit Ihren Kolleginnen und Kollegen widmen kann.“
Preiner studierte Chemie und Biochemie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU). Nach ihrer Masterarbeit (2009) in physikalischer Chemie wollte sie sich allgemeiner mit Wissenschaft und Gesellschaft beschäftigen und machte sich als Wissenschaftsjournalistin selbständig. Sieben Jahre lang arbeitete sie für Medien wie den Deutschlandfunk, den Westdeutschen Rundfunk (WDR), Spektrum der Wissenschaft und die Neue Zürcher Zeitung.
2016 zog sie der Ursprung des Lebens zurück in die Wissenschaft und sie promovierte bei dem Biologen Bill Martin an der Heinrich- Heine-Universität in Düsseldorf. Dabei erforschte sie die Parallelen zwischen biotischer CO2-Fixierung in Methanogenen und Acetogenen und abiotischer CO2-Fixierung in hydrothermalen Systemen. Nach ihrer Promotion (2020) und Elternzeit zog sie in die Niederlande, um an der Universität Utrecht und dem Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ) ihr geologisches und geochemisches Verständnis zu vertiefen und erste Erfahrungen als Co-Leiterin einer Expedition zum mittlelatlantischen Rücken zu sammeln.
Ihre Erfahrungen in Chemie, Biologie und Geowissenschaften will sie nun gleichermaßen in ihre neue Forschungsgruppe am Zukunftszentrum Mikrokosmos Erde einbringen und ein interdisziplinäres Team aufbauen. Sie ist Mitgründerin des „Origin of Life Early career Network““ (OoLEN), das Nachwuchsforscherinnen und -forscher aus verschiedenen Disziplinen, die sich für die Ursprünge des Lebens interessieren, zusammenführen und unterstützen will. Im Juni 2022 erhielt Preiner den Förderpreis für Wissenschaften der Landeshauptstadt Düsseldorf.
Das Zukunftszentrum „Mikrokosmos Erde“ ist ein gemeinsames Projekt des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie (MPI-TM) und der Philipps-Universität, das sich dem ebenso hochaktuellen wie breit gefächerten Themengebiet Umwelt- und Klimamikrobiologie widmet. Es hat eine Laufzeit von zunächst 7 Jahren und wird vom Land Hessen finanziell unterstützt. Es soll künftig neben dem Zentrum SYNMIKRO ein weiterer Knotenpunkt interdisziplinärer Zusammenarbeit in der mikrobiologischen Forschungslandschaft Marburgs sein.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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