Einen Ausblick auf kommende Aufgaben und Projekte gab Landrat Jens Womelsdorf beim Neujahrsempfang 2023. Er fand am Samstag (21. Januar) im Lokschuppen statt.
Klimaschutz und Bürgerbeteiligung sowie Wirtschafts-, Gesundheits- und Ehrenamtsförderung standen im Fokus seiner Rede. Wie der Kreis die Weichen für die Zukunft stellen will, erläuterte der Landrat vor über 500 geladenen Gästen im Marburger Lokschuppen. Mehr als 600 Interessierte schauten zudem im Livestream zu.
„Meine erste Amtszeit als Landrat wird nicht allein von einem Thema geprägt sein. Aber es gibt eben Themen, die haben eine höhere Priorität – nicht nur wegen ihrer Dringlichkeit, sondern auch, weil wir wirklich etwas erreichen können“, erklärte Womelsdorf. „Dazu gehört der Komplex Klimaschutz, Klima-folgenmanagement und Schutz der biologischen Vielfalt“, betonte Womelsdorf in seiner Rede, die er unter das Motto „Sagen was ist; tun, was richtig und möglich ist“ stellte.
Basis für die erfolgreiche Arbeit beim Klimaschutz sei ein gut aufgestelltes Team mit Verständnis dafür, dass Klimaschutz eine Querschnittsaufgabe der gesamten Kreisverwaltung sei. Der entsprechende Fachdienst in der Verwaltung ist zudem mittlerweile Teil der Stabsstelle des Landratsbüros und damit unmittelbare „Chefsache“.
Der Landrat hat die Verwaltung damit beauftragt, ein weiteres Aktionsprogramm für den Klimaschutz zu entwickeln, in dem weitere Schritte des Verwaltungshandelns festgelegt werden, um den Klimaschutz zu stärken. Zudem werde der Kreis sein erfolgreiches Programm zur Solarförderung fortführen.
Auch den Ausbau der Bürgerbeteiligung als weiteres Kernthema sprach Womelsdorf an. „Ich möchte Bürgerbeteiligung im Landkreis Marburg-Biedenkopf weiterentwickeln, weil wir um und für unsere Demokratie, um das, was unsere Gesellschaft ausmacht, immer wieder kämpfen müssen“, sagte er. Es sei wichtig, noch viel mehr darüber zu reden, was Demokratie überhaupt konkret vor Ort bedeute und was die damit verknüpfte Verwaltung für die Menschen tatsächlich leiste. Zugleich werde die Einbindung der Kreisgesellschaft in das Verwaltungshandeln fortgesetzt. Darunter bei der Erarbeitung neuer Leitlinien des Kreises für die Kultur und den Sport sowie der Weiterentwicklung von Schloss Biedenkopf. „Und wir werden die Kreisgesellschaft auch beim Klimaschutz noch mehr einbinden, und ich werde das Ziel der Einrichtung eines Bürger*innen-Rats Klimaschutz weiterverfolgen“. Im Rahmen von „Dorfgesprächen“ möchte der Landrat in Zukunft zudem noch direkter mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen.
Zur Stärkung der heimischen Wirtschaft arbeitet die Kreisverwaltung eng mit den Städten und Gemeinden des Landkreises zusammen. Ein weiterer bedeutender Schritt hierfür sei die Gründung der Wirtschaftsförderungs-GmbH. Ziel ist es, die heimische Wirtschaft stark zu halten und zukunftsfähig aufzustellen. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft soll die heimischen Unternehmen bei ihren Kontakten mit Behörden und bei der Beschaffung von Fördermitteln unterstützen, dem Fachkräftemangel entgegenwirken, sich um die Kommunikation vorhandener Gewerbeflächen und ein besseres Regionalmarketing kümmern.
Auch die Gesundheitsversorgung gelte es im Blick zu halten, insbesondere auch im ländlichen Raum, so der Landrat. Beispielhaft dafür stehe das geplante Gesundheitszentrum in den Kommunen Angelburg und Steffenberg. Der Kreis begleitet den Prozess in Zusammenarbeit mit den beiden Kommunen weiter eng.
Auch auf die finanziellen Herausforderungen des Landkreises ging der Landrat ein. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 sei ein „vernünftiges Werk, das unter nicht einfachen Bedingungen entstanden ist. In jedem Fall ein Werk, das aufzeigt was machbar ist, was möglich war“.
Die finanzielle Situation sei im Vergleich zu den vergangenen Jahren deshalb schwierig, weil sich die hohen Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Marburg –
bedingt durch die Impfstoffproduktion von Biontech – negativ auf die Kreisfinanzen auswirken. Die erhöhten Gewerbesteuereinnahmen würden zwar dazu führen, dass der Landkreis von der Stadt Marburg 60 Millionen Euro mehr Kreisumlage bekommt. Dafür verliert der Kreis dadurch aber 41 Millionen an Schlüsselzuweisungen und muss 30 Millionen mehr Umlagen an den Landeswohlfahrtsverband und das Land Hessen zahlen. Dies führe zu einem Minus von elf Millionen Euro. Durch diesen „Konstruktionsfehler“ im Kommunalen Finanzausgleich werde der Landkreis Marburg-Biedenkopf zum einzigen hessischen Landkreis, der unter dem Strich nicht von den Biontech-Millionen profitiere. Und dies, obwohl der Impfstoff hier produziert werde.
Womelsdorf appellierte in seiner Rede daher an das Land Hessen, diesen Konstruktionsfehler schnellstmöglich zu beheben. Auch, weil dieses Problem zukünftig wohl nicht wie 2023 durch Einmalzahlungen aus dem Landesausgleichsstock gelöst werden könne. Denn auch wenn das Land Hessen dem Landkreis diesen Verlust 2023 mit einer Finanzspritze ausgeglichen hat, muss der Kreis mehrere Millionen einsparen. Denn die hohen Gewerbesteuereinnahmen der Stadt sorgen auch dafür, dass der Kreis nach der derzeitigen Regelung, im Gegensatz zu anderen Kreisen und Städten, keinen Geldzuwachs hieraus erhält. Dieser ist aber nötig, um steigenden Kosten, beispielsweise für Personal, Energie oder auch Sozial- und Jugendarbeit, gut begegnen zu können.
Ohne eine zeitnahe Änderung des Finanzausgleichs wäre der Landkreis durch diese Situation somit auch in den kommenden Jahren belastet.
Seine Amtsvorgängerin Kirsten Fründt, die im Januar 2022 an einer Krebserkrankung starb, würdigte Womelsdorf in seiner Rede für ihr Wirken für den Kreis. „Von Anfang an habe ich mit Respekt beobachtet, was sie als Verwaltungschefin und in ihrer politischen Funktion als Landrätin auf den Weg gebracht hat immer mit viel Freude an der Aufgabe und einer ansteckenden Energie“, sagte der Landrat. Er sei dankbar für ein Haus, das sehr gut aufgestellt sei und für die Projekte, die sie auf den Weg gebracht habe.
Seiner Amtszeit wolle er aber auch eigene Prägungen geben. Wichtig sei für ihn dabei, die kommenden Herausforderungen zwar nicht naiv, aber hoffnungsvoll anzugehen.
„Wir brauchen auch die Erzählung des Gelingens“, betonte der Landrat. Es benötige einen „pragmatischen Optimismus“ im Handeln von Politik und Verwaltung. Aber auch im Hinblick darauf, was jeder Menschen selber tun kann. Schließlich könne die Verwaltung gesamtgesellschaftlichen Aufgaben wie dem Klimaschutz nicht alleine begegnen.
* pm: Landkreisi Marburg-Biedenkopf