Zusammen zugeschaut: Schwerdtfeger hielt Hans-Hellmann-Lecture

Mit der Verleihung der „Hans-Hellmann-Lecture“ an Peter Schwerdtfeger wurde ein vielseitiger Wissenschaftler für seine Forschung im Bereich der Quantenchemie geehrt. Er forscht an der Massey University in Neuseeland.
Der Fachbereich Chemie der Philipps-Universität hat gemeinsam mit dem Ortsverband Marburg der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) Prof. Dr. Peter Schwerdtfeger mit der „Hans-Hellmann-Lecture“ geehrt. Schwerdtfeger ist Direktor des Zentrums für Theoretische Chemie und Physik an der Massey University in Neuseeland.
In seiner Laudatio würdigte der Marburger Chemiker Prof. Dr. Gernot Frenking die Leistungen Schwerdtfegers: „Mit seinen Arbeiten ist er einer der wenigen Wissenschaftler, die sich auf hohem Niveau mit Fragen und Methoden der Chemie, Physik und Mathematik auseinandersetzt und stets originelle, eigenständige Beiträge leistet. Mir sind weltweit nur wenige Wissenschaftler bekannt, die in gleich drei Disziplinen auf einem so hohen Niveau arbeiten. Schwerdtfeger ist ein würdiger Träger dieser Auszeichnung, denn auch der Namensgeber der Lecture, Hans Hellmann, war ein Wissenschaftler, der in diesen drei Disziplinen arbeitete und fundamentale Arbeiten publizierte, die bis heute Bedeutung haben.“
Schwerdtfeger gehört zu den besonders vielseitigen Theoretikern in der Chemie. Er forscht zu den Eigenschaften und der Chemie schwerer und superschwerer Elemente. Mit grundlegenden Untersuchungen trägt Schwerdtfeger entscheidend zum Verständnis dieser Elemente bei.
Damit einher gehen fundamentale theoretische Entwicklungen und Beiträge zu zahlreichen Themenfeldern im Bereich der Quantenchemie bis hin zur Mathematik. Schwerdtfeger forscht unter anderem zur Pseudopotentialmethode, zu Gittersummen in verschiedenen Dimensionen sowie zu graphentheoretischen und topologischen Eigenschaften von Fullerenen.
Ein weiteres Thema in seiner Forschung ist die Beschreibung von Phasenübergängen wie etwa das Schmelzverhalten von Quecksilber unter Berücksichtigung relativistischer Beiträge. Ohne diese relativistischen Beiträge wäre das Schwermetall bei Zimmertemperatur und Normaldruck keine Flüssigkeit, sondern ein Feststoff, der erst bei deutlich höheren Temperaturen schmilzt, wie Schwerdtfeger darlegte.
„Der Siedepunkt von Gold hingegen würde ohne relativistische Beiträge um etwa 800 Grad Celsius sinken“, führte Schwerdtfeger in seiner Lecture aus, die den Titel „When Gold meets Relativity“ trug. Um auch die Ionisierungsenergie und Elektronenaffinität dieses Elements hochgenau zu beschreiben, werden zusätzliche Korrekturen aus der Quantenelektrodynamik erforderlich, die Schwerdtfeger mit beeindruckendem Erfolg einsetzen konnte.
Besonders im Grenzbereich zwischen Chemie und Physik leistet Schwerdtfeger seit vielen Jahren bahnbrechende Beiträge unter Verwendung relativistischer Methoden. Das tut er etwa zur theoretischen Beschreibung der Wechselwirkungen von Kernmultipolmomenten in Molekülen, zur Untersuchung quantenelektrodynamischer Korrekturen oder zur Rolle elektroschwacher Wechselwirkungen in molekularen Systemen.
Schwerdtfeger kennt Marburg – die Philipps-Universität war eine frühe Station in seiner langen Wissenschaftskarriere. Er habilitierte 1995 am Fachbereich Chemie über „Relativistische Effekte in molekularen Eigenschaften der schweren Elemente“ und war dort von 2013 bis 2015 Humboldtforschungspreisträger.
Die „Hans-Hellmann-Lecture“ verleiht der Fachbereich Chemie der Philipps-Universität im Rahmen des Kolloquiums des Ortsverbands Marburg der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) an hochrangige Forscherinnen und Forscher in der Quantenchemie. Benannt ist sie nach einem der Mitbegründer dieses Teilgebiets der Theoretischen Chemie.
Hans G. A. Hellmann lebte von 1903 bis 1938. Bereits in den 30er Jahren hatte Hellmann wesentliche Erkenntnisse über die Natur der chemischen Bindung auf der Grundlage der Quantentheorie gewonnen und quantenchemische Näherungsverfahren untersucht, bei denen sogenannte „Pseudopotentiale“ verwandt werden. Diese „Pseudopotentiale“ zählen heute zu den wichtigsten Hilfsmitteln, um relativistische Effekte zu berücksichtigen.
Die Hellmann-Lecture wurde 2013 erstmalig an Prof. Klaus Ruedenberg von der Iowa State University verliehen. 2015 erhielt Prof. Pekka Pyykkö von der Universität Helsinki und 2017 Prof. Evert Jan Baerends von der Vrije Universiteit Amsterdam die Auszeichnung. Der designierte Preisträger 2019 war Prof. Leo Radom von der University of Sydney, der die Lecture jedoch aufgrund der Corona-Pandemie zurückziehen musste.
In der Fachcommunity findet die Hellmann-Lecture große Beachtung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland nahmen daran teil.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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