Mein allererster Lokalbesuch in Marburg führte mich ins „Café Klingelhöfer“. Mit meinem Vater und seinem Kollegen ging ich am Tag meines Umzugs nach Marburg dorthin.
Von meiner Geburtsstadt Bonn waren wir an einem warmen Sonntag im September 1977 mit dem Auto nach Marburg gefahren. Am Nachmittag brachten wir meine Utensilien in das Haus an der Liebigstraße, wo ich das folgende Jahr wohnen sollte. In dem Haus „Liebigstraße 11“ residierte damals eine Außenwohngruppe der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA), bei der ich zum Ende der Sommerferien meinen „Blindentechnischen Grundlehrgang“ begann.
Danach gingen wir gemeinsam einige Meter weiter ins „Café Klingelhöfer“, wo wir uns Kaffeee und Kuchen gönnten. Nachdem ich mich später von meinem Vater und seinem Kollegen verabschiedet hatte, lernte ich meine sehbehinderten und blinden Mitbwohner kennen. Mit einigen von ihnen ging ich am selben Abend noch ins „Frustica“ am Plan.
Im Gegensatz zu der gemütlichen Folk-Kneipe gibt es das Café im Haus „Haspelstraße 21“ immer noch. Seit 135 Jahren ist die Konditorei Klingelhöfer in Familienbesitz. Das Gebäude „Haspelstraße 21“ beherbergt seit rund 120 Jahren die Backstube und das Café.
Erst Anfang November war ich zum letzten Mal in dem Café an der Kreuzung der Haspelstraße mit der Liebigstraße. Damals aß ich dort zu Mittag. Die Currywurst im Glas schmeckte nicht schlecht.
Begeistern kann mich aber vor allem die Schwarzwälder Kirschtorte des Marburger Konditors. Über all die Jahre hinweg ist sie mein Favorit im Sortiment von Klingelhöfer geblieben. Aber auch andere Sahnetorten seiner Produktion kann ich nur empfehlen.
In den 90er Jahren fanden in dem Café im Marburger Südviertel die alljährlichen Eigentümerversammlungen der Hausgemeinschaft statt, wo meine spätere Ehefrau Erdmuthe Sturz und ich 1992 eingezogen waren. Später traf ich mich dort gelegentlich mit gesprächspartnern zur journalistischen Recherche oder mit einem Kollegen vom Radio. Die Klingelhöfer-Filiale an der Wettergasse hingegen habe ich n all den Jahren höchstens dreimal aufgesucht.
Das Café versprüht – ebenso wie das „Café Vetter an der Reitgasse in der Oberstadt – den soliden Charme eines Wiener Kaffeehauses. Am liebsten sitze ich draußen vor dem „Café Klingelhöfer“ an der Liebigstraße und genieße Kaffee oder Kakao und Kuchen. Drinnen gehe ich am liebsten ganz nach hinten, wo man ungestört miteinander plaudern kann.
Vor der Tür führen zwei Stufen in den verkaufsraum. Dort wendet man sich nach rechts und betritt über weitere sechs oder sieben Stufen das eigentliche Café. An der Fensterfront entlang ziehen sich rechts mehrere kleine Tische, während größere Sitzgruppen links in Nischen abgetrennt sind.
Mit einer evangelischen Pfarrerin aus Südhessen sprach ich vor einigen Monaten über ihre Studienzeit in Marburg. Sie berichtete mir von ihrem Stammlokal im Südviertel. Das war das „Café Klingelhöfer“ gewesen.
Ihre Frage, ob es ihr Lieblingscafé noch gebe, konnte ich positiv beantworten. Die traditionsreiche Konditorei Klingelhöfer wird inzwischen in vierter und fünfter Generation von den Nachfahren des Firmengründers Johannes Klingelhöfer geführt. Damit zählt auch das „Café Klingelhöfer“ sicherlich zu den lgendären Lokalen in Marburg
* Franz-Josef Hanke