Als ich 1977 nach Marburg kam, war das „Café Vetter“ bereits eine feste Institution. Seit fast 100 Jahren befindet es sich in Familienbesitz.
Wer vom Lahntor aus an der Alten Universität vorbei die steile Reitgasse hinaufgeht, der passiert gleich hinter dem Kornmarkt rechts Das „Café Vetter“ gegenüber vom Schuhmarkt mit dem „Kilian“. Mehrere Stufen mit einem Handlauf führen von der steilen Straße hinauf in den Verkaufsraum. Dort verkauft die Familie Vetter köstliche Pralinenund noch köstlichere Torten.
Insbesondere diese Kuchen sind die Publikumsmagnete des Cafés mit dem Wiener Kaffeehaus-Charme. Zu der „Elisabeth-Torte“, Frankfurter Kranz, Schwarzwälder Kirsch oder Marzipan-Torte trinken die Gäste Kaffe oder Tee, sofern sie nich frühstücken in dem Gebäude „Reitgasse 4“.
Eingerichtet ist das Kaffe in dem gediegenen Stil bürgerlicher Kaffeehäuser mit Teppichboden und bequemen Sesseln oder Stühlen an meist kleineren runden Tischen. Vornean kann man eine Treppe hinabgehen in die untere Etage, von der aus man weiter hinabgehen kann auf die Außenterrasse mit einem herrlichen Blick auf den Rudolphsplatz und den unteren Teil der Stadt. Neben der Treppe führt ein Gang zwischen den Tischen hindurch zum hinteren Bereich, an den sich ein Wintergarten anschließt mit einem ebenso herrlichen Blick hinab auf das Biegenviertel und den Rudolphsplatz.
Die Tische sind mit Stofftischdecken gedeckt. Die Bedienungen tragen dunkle Kleidung mit weißen Schürzen.
Sonntags sitzt manchmal ein Pianist am Klavier und spielt traditionelle Kaffeehausmusik, Jazz-STandards oder Klassik. Viele Jahre lang gab es sonntagsmorgens die Reihe „Literatur um 10“ mit Lesungen meist prominenter Schriftsteller. Allerdings erinnere ich mich auch an eine Lesung von Marburger Lyrikern, bei der mich lediglich ein Vortragender überzeugen konnte.
Seit 1977 gehe ich ins „Café Vetter“, wenn ich guten Kuchen essen möchte. Schon während meiner Studienzeit galt es als geeignete Anlaufstelle bei Verwandtenbesuchen oder Verabredungen mit dem oder der Angebeteten. Genausogut eignete sich das Café aber auch für geschäftliche Verabredungen oder Treffen mit Bekannten.
Mit einer Kollegin vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) ging ich vor Jahren ins „Café Vetter“, nachdem sie einen Fernsehgottesdienst aus der Lutherischen Pfarrkirche live übertragen hatte. Mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen saß ich wiederholt in dem Wintergarten, dessen Wände ausgestopfte Jagdtrophäen von Füchsen und anderen kleinen Wildtieren „zierten“. Dort traf ich mich auch mit einer lieben Freundin beim gemeinsamen Frühstück ihrer Gäste am Morgen nach ihrer wunderschönen Hochzeitsfeier.
Meine eigene Hochzeitstorte stammte vom „Café Vetter“. Sie war aus Marzipan mit Schokolade und einem Brautpaar oben drauf. Bei unserer standesamtlichen Trauung im „Steinernen Haus“ an der Mainzer Gasse haben Erdmuthe Sturz und ich sie unter den Gästen verteilt und ein gutes Stück mit nach Hause genommen.
Zum Geburtstag hat mir Erdmuthe einmal ein Marzipanschweinchen von Vetter geschenkt. Eine Bekannte aus München nutzt jeden Besuch in Marburg, um im „Café Vetter“ Pralinen als Mitbringsel für ihre Mutter einzukaufen. Diese Pralinen sind einfach köstlich!
Auch das „Café Klingelhöfer“ an der Haspelstraße im Südviertel und das „Café am Markt“ pflegen eine ähnliche Atmosphäre wie das „Café Vetter“, doch empfinde ich dessen Torten ebenso wie die Stimmung noch gelungener als an den anderen Orten. Damit kann und möchte das „Café Am Grün“ übrhaupt nicht mithalten. Nicht zuletzt wegen seiner Einzigartigkeit ist das „Café Vetter“ an der Reitgasse für mich auch eins der legendären Lokale in Marburg.
* Franz-Josef Hanke
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