Hilfe bei chronischen Rückenschmerzen verspricht die Philipps-Universität. Mit „DEFFECT Back“ bieten Psycholog*innen neue Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene.
Wer kennt sie nicht? Treten Rückenschmerzen länger als 12 Wochen auf, spricht die Medizin von „chronischen Rückenschmerzen“.
Ihre Ursachen sind vielfältig – auch psychische Faktoren können eine Rolle spielen. Genauso können chronische Schmerzen in einen hohen psychischen Leidensdruck münden.
Psychologinnen und Psychologen der Philipps-Universität bieten Betroffenen eine neue Behandlungsmöglichkeit: Mittels psychotherapeutischer Verfahren sollen Patientinnen und Patienten in einer neuen Studie Bewältigungsstrategien im Umgang mit quälenden Rückenschmerzen erlernen und so die Möglichkeit erhalten, wieder an allen Aktivitäten des Lebens teilzunehmen. Personen, die unter chronischen Rückenschmerzen leiden und an der Studie teilnehmen möchten, können sich ab sofort bewerben.
Wegen Rückenschmerzen zur Psychotherapie? Dieser Schritt erschließt sich vielen nicht ohne Weiteres. Doch bei Rückenschmerzen können auch psychische Komponenten eine Rolle spielen.
Davon abgesehen können chronische Schmerzen häufig mit gedrückter Stimmung, Schlafstörungen oder Ängsten einhergehen – was die Symptomatik wiederum verschlechtern kann. „Für Betroffene von chronischen Rückenschmerzen kann es äußerst effektiv sein, einen Raum für diese Gedanken und Problemfelder zu haben, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen“, erklärte Dr. Jenny Riecke vom Fachbereich Psychologie, die die Marburger Studie koordiniert.
„Körperliche und psychische Prozesse sind schließlich nicht voneinander isoliert“, erläuterte sie. „Viele Prozesse stehen in engem Zusammenhang. Darüber hinaus zeigen neuere Forschungsarbeiten, dass Psychotherapie bei Rückenschmerzen auch langfristig hilfreich sein kann, da sich der eigene Fokus weg vom Schmerz hin zu den Dingen verschiebt, die im Leben eigentlich wichtig sind, zum Beispiel die Familie oder Hobbys.“
Marburg ist eines von fünf Zentren in Deutschland, an denen in den nächsten drei Jahren insgesamt knapp 400 Personen mit chronischen Rückenschmerzen behandelt werden sollen – an der Philipps-Universität stehen insgesamt 60 Einzel-Therapieplätze zur Verfügung. Die Studie findet unter der Leitung von Prof. Dr. Winfried Rief und Dr. Jenny Riecke in der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie statt.
Weitere Zentren befinden sich an den Universitätsambulanzen in Landau und Mainz sowie den Universitätskliniken Essen und Heidelberg. Die Patientinnen und Patienten sind damit Teil der groß angelegten Multicenterstudie „Effects of Exposure and Cognitive-behavioural therapy for chronic back pain“ (EFFECT-Back) unter Leitung von Prof. Dr. Julia Glombiewski von der Universität Koblenz-Landau, die mit 1,7 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Die Studie baut auf eine erfolgreiche Vorgängerstudie auf, die in der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Philipps-Universität durchgeführt wurde, an der Glombiewski zuletzt als Leiterin des Schmerzteams bis 2017 tätig war.
Innerhalb der Studie werden die zwei psychologischen Verfahren „kognitive Verhaltenstherapie“ und „Expositionstherapie“ miteinander verglichen. Mit der neuen Studie wollen die Forschenden der beteiligten Universitäten und Universitätskliniken herausfinden, welche der beiden Therapien für welche Personen besonders hilfreich ist. Das Ziel beider Methoden ist, wieder an allen Aktivitäten des Lebens teilzunehmen.
Dabei sollen insbesondere Bewältigungsstrategien zum Umgang mit quälenden Rückenschmerzen helfen, die innerhalb der Therapie erlernt werden. „Unsere Erfahrung zeigt, dass durch diese Methoden langfristig die Lebensqualität der Betroffenen merklich gesteigert werden kann“, sagte Riecke.
Konkret besteht die Behandlung aus rund 18 Terminen, die in der Regel einmal wöchentlich in der Psychotherapieambulanz (IPAM) der Philipps-Universität in der Gutenbergstraße 18 in Marburg stattfinden. Dabei entstehen keine Kosten für die teilnehmenden Personen, und durch die neue Studie sind die Wartezeiten für das Therapieangebot nach erfolgreicher Bewerbung kürzer. Neben der Teilnahme an der Behandlung gehören das Ausfüllen von Fragebögen und Tests, die der Forschung dienen, zu den Voraussetzungen für die Teilnahme.
Interessierte finden weitere Informationen unter www.uni-marburg.de/de/fb04/team-rief/forschung/therapiestudien/effect-back. Unter der Telefonnummer 06421/28-33860 oder über die E-Mail-Adresse effectback@uni-marburg.de können Bewerberinnen und Bewerber mit dem Marburger EFFECT-Back-Team Kontakt aufnehmen.
* pm: Philipps-Universität Marburg