Der Einsatz der Genschere „CRISPR“ soll für verbesserten Tierschutz sorgen. Das erklärte eine Forschungsgruppe aus Marburg am Montag (10. Oktober).
Die Anzahl von Versuchstieren in der Krebsforschung lässt sich erheblich verringern, wenn man die neue Methode einer Marburger Forschungsgruppe aus der Tumormedizin einsetzt. Das Verfahren nutzt die Genschere „CRISPR“, um zu Studienzwecken Mäuse mit Tumoren zu erzeugen, statt dazu aufwendige Zuchten mit vielen Tieren durchzuführen. Das Team um den Marburger Krebsforscher Prof. Dr. Thorsten Stiewe berichtet im Fachblatt „Molecular Cancer“ über seine Ergebnisse.
„Tierschutz in der medizinischen Forschung orientiert sich am so genannten 3R-Konzept“, erläuterte Stiewe, der die aktuelle Studie leitete. Das Kürzel „3R“ steht für „Reduction, Refinement, Replacement“. Das bedeutet Verminderung, Verfeinerung, Ersatz von Tierversuchen.
Für seine Verdienste um die Schonung von Versuchstieren erhielt der Marburger Hochschullehrer bereits im Jahr 2014 den Hessischen Tierschutz-Forschungspreis. Bisher forschte die Krebsmedizin an Tumoren, indem Versuchstiere gezüchtet wurden, die krebserzeugende Genveränderungen enthalten. Dabei bleiben wie bei jeder Zucht Tiere übrig, die nicht die erwünschten Eigenschaften besitzen.
„Unsere Methode löst dieses Problem, indem wir die Genveränderungen nicht über Zuchten in die Mäuse einbringen, sondern in erwachsenen Tieren direkt erzeugen“, erklärte Erstautorin Nastasja Merle, die eine Doktorarbeit in Stiewes Arbeitsgruppe anfertigt.
Die Forschungsgruppe verwendet ein molekulargenetisches Werkzeug, um die Erbsubstanz „DNA“ zielgenau zu verändern. Dabei handelt es sich um die Genschere „CRISPR“.
„Genetisch definierte Tumore, die mit dem CRISPR-Verfahren im Mausmodell entstehen, sind überaus wichtig, um personalisierte Tumortherapien zu testen“, sagte Stiewe. „Unsere Methode spiegelt bestmöglich den natürlichen Prozess der Tumorentstehung beim Menschen wider, da auch hier die auslösenden Genmutationen in der Regel nicht vererbt, sondern erst im Laufe des Lebens erworben werden.“
Darüber hinaus bringe die neue Technik eine erhebliche Verbesserung im Versuchstierschutz. Sie lässt sich außerdem mit dem preisgekrönten Diagnoseverfahren kombinieren, für das Stiewe vor acht Jahren den Hessischen Tierschutz-Forschungspreis erhalten hat.
„Wir versehen die Tumorzellen mit einem leuchtfähigen Luciferase-Enzym, das in die Blutbahn gelangt und dort nachweisbar ist“, führte Nastasja Merle aus. Bei „Luciferasen“ handelt es sich um Enzyme, die Stoffe so umbauen, dass sie Licht ausstrahlen. Diese Erscheinung kennt man zum Beispiel von Glühwürmchen.
„Wir können anhand eines einzigen Blutstropfens aus der Schwanzvene der Mäuse jederzeit im Labor messen, wieviel Tumor in dem Tier vorhanden ist.“ Bislang erforderte die Überwachung der Tumore umfangreiche, wiederholte und für die Tiere belastende Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren wie MRT oder CT. Das ist nun nicht mehr nötig.
„Wir haben die Markierung mit Luciferase, die wir ursprünglich für die Untersuchung von transplantierten Tumoren entwickelten, nunmehr auf die Überwachung von Tumoren ausgeweitet, die direkt im Tier entstehen“, legte Stiewe dar. Zusammengenommen ergibt sich eine erhebliche Verbesserung gemäß des 3R-Konzepts, da sowohl die Anzahl als auch die Belastung der Tiere maßgeblich reduziert werden.
Stiewe lehrt molekulare Onkologie an der Philipps-Universität. Neben Stiewes Arbeitsgruppe beteiligten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Marburger Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, aus der Abteilung für Neuropathologie und der „Core Facility Genomics“ sowie Arbeitsgruppen des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim und der Abteilung für Biochemie an der Justus-Liebig-Universität Gießen an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), behri, das Bundesforschungsministerium, das Deutsche Zentrum für Lungenforschung, die Deutsche Krebshilfe, die Jose Carreras Leukämie-Stiftung, die „Von-Behring-Röntgen-Stiftung“ und der „LOEWE“-Schwerpunkt iCANx förderten die Forschungsarbeit finanziell.
* pm: Philipps-Universität Marburg