Artistenarchiv: Dokumente zum Zirkus in Deutschland

Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat das Artistenarchiv an der Ketzerbach besucht. Unzählige Akten dort zeugen vom Leben im Zirkus.
Das Artistenarchiv in Marburg bewahrt eine spannende Sammlung rund um Zirkus- und Varietékunst auf. Die Institution ist von der Universitätsstadt aus international tätig, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt nutzen die umfangreichen Quellen zu Artistinnen und Artisten, die in Marburg archiviert wurden.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat sich bei einem Archivbesuch darüber informiert, wie der Verein den städtischen Zuschuss zur Kulturarbeit einsetzt. „Ich bin beeindruckt von der Arbeit, die hier geleistet wird, von den immensen Schätzen und dem vielschichtigen Wissen, das hier in den Regalen, Mappen und Alben lagert“, erklärte Spies beim Besuch des Artistenarchivs der „Kulturhistorischen Gesellschaft für Circus- und Varietékunst“ in der Ketzerbach, wo er sich über die Arbeit des Vereins und die Verwendung der städtischen Unterstützung informierte.
Unzählige gerahmte Fotos und alte Plakate von Artistinnen, Löwen und Clowns hängen im Eingangsbereich in dem Archiv in der Ketzerbach 21 ½ an den Wänden. „Das ist eigentlich nur Beiwerk“, sagte Vereins-Kassierer Dr. Heinz Stoffregen über die farbenfrohen Plakate und die kunstvollen schwarz-weiß Fotografien. Das eigentliche Herzstück des Archivs befindet sich in den angrenzenden Räumen.
Dort befinden sich unzählige Akten über Artist*innen, die einst in Deutschland auftraten. Ergänzt werden sie durch Fotos. Gefüllt sind sie mit Arbeitsverträgen, mit Auftrittsorten und mit Informationen über die Familienstammbäume.
„Gezählt haben wir nie“, erklärte Stoffregen. „Aber schätzungsweise haben wir hier Zettel zu 40.000 Artist*innen – alle vom Archivgründer Rudolf Geller per Hand beschriftet.“
Über den Schränken mit den Akten reihen sich rund 200 dicke Fotoalben aneinander. Darunter sind alleine 52 alte Alben vom „Circus Krone“.
Ganz neu im Archiv gelandet sind die Fotoalben einer Artistenagentur. Gefüllt sind sie mit den Fotos der verschiedenen Artist*innen, die die Agentur in den 1920er-Jahren vermittelt hat.
„Die Alben wurden nicht für die Zukunft angelegt“, erläuterte Stoffregen dem Oberbürgermeister. „Die Bilder sind mit Nadeln hineingetackert, die alle verrostet sind und die Bilder beschädigt haben.“
Nun werde das Archivteam sich damit befassen, wie die Fotos am besten für die Zukunft gesichert werden können. Zeitgleich werde es rund 10 Kartons voller Unterlagen sortieren, die gerade erst aus dem Nachlass eines Zirkusfreunds aus Reutlingen übernommen wurden.
Ein weiterer gefragter Raum in dem Archiv ist die Bibliothek. Das gelte aber nicht mehr so sehr wegen der Bücher. „Da wird mittlerweile viel digital recherchiert“, erläuterte Stoffregen.
Gefragter sei die Sammlung an Zeitschriften und Programmheften rund um Zirkus und Varietè. „Derzeit haben wir viele Anfragen zu Material aus dem Nationalsozialismus“, berichtete Stoffregen. „Das Artistenarchiv ist in seiner Form einzigartig. Deswegen haben wir Anfragen von Autor*innen und Wissenschaftler*innen aus aller Welt, die etwa zu Biografien einzelner Artisten recherchieren oder beispielsweise zu jüdischen Artistenfamilien in der deutschen Kulturlandschaft.“
Etwa zwei mal im Monat gehen wissenschaftliche Anfragen im Artistenarchiv ein. Das Archivteam selbst forscht auch in den Akten – und veröffentlicht Erkenntnisse aus eigener Forschung dann in der „Deutschen Zirkuszeitung“.
Hauptsächlich seien die Ehrenamtlichen aber damit beschäftigt, Anfragen zu beantworten, Besuchende zu betreuen und um Spenden einzuwerben, damit Übernahmen finanziert werden können wie etwa Fotoalben aus den 1920er-Jahren. Ein Wunsch des Teams sei auch, feste Öffnungszeiten im Archiv zu ermöglichen und weiter Praktikumsplätze für Studierende der Philipps-Universität anzubieten.
Spies betonte, wie wichtig das Engagement des Archivteams sei, um das Wissen um die Geschichte von Artistenfamilien zu erhalten – sowohl für Ahnenforscher*innen als auch für Wissenschaftler*innen. Gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern besprach er auch, welche Möglichkeiten und Chancen die Digitalisierung des Archivguts biete.
Die „Gesellschaft der Zirkusfreunde in Deutschland“ wurde 1955 in Berlin gegründet – ein Ziel war die Eröffnung eines „Circus- und Artistenmuseums“. Das blieb jedoch erfolglos. 1976 beschloss daher der damalige Zirkusfreunde-Präsident Rudolf Geller aus Marburg stattdessen ein Archiv zu gründen.
Mit seiner Ehefrau Lieselotte sammelte er selbst unzählige Dokumente, Fotos, Filme und Berichte, mit denen er vor allem die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Artist*innen erfassen wollte. Ergänzend wurden Unterlagen über Zirkus und Varieté gesammelt die die wichtigsten Arbeitsplätze für Artist*innen. Im Dezember 1976 wurde dann die „Kulturhistorische Gesellschaft für Circus- und Varietékunst“ in Marburg gegründet – als gemeinnütziger Träger für ein Archiv.
Unterstützt wurde das Archiv von Beginn an von der Universitätsstadt Marburg. Getragen wird es vom Ehrenamt. Die Stadt Marburg und die „Kulturhistorische Gesellschaft für Circus- und Varietékunst“ sind seither eng miteinander verbunden.
Traditionell ist ein Mitglied des Magistrats im Vorstand des Vereins. Bis zu ihrem Tod hatte Marlies Sewering-Wollanek diese Position inne. Nun vertritt Uli Severin die Stadt im Vereinsvorstand.

* pm: Stadt Marburg

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