Bachfest Marburg800: Freilegung statt Überwölbung der Ketzerbach

Am ‚Samstagnachmittag hat die Musik begonnen. Für ihr „Bachfest“ hatte die Ketzerbachgesellschaft bestes Wetter bestellt.
Seit 1859 feiert Marburg die „Überwölbung der Ketzerbach“. In jenem Jahr wurde der zuvor stinkende Bach in eine Röhre gezwungen. Für die Anwohner war das damals wirklich ein Grund zum Feiern.
1914, 2020 und 2021 ist das Fest ausgefallen. Am Samstag (2. Juli) war es dann nach der Corona-Pause wieder soweit: Das „Bachfest“ in der Ketzerbach konnte beginnen.
Busse und Autos zwängten sich in Fahrtrichtung Innenstadt durch Zwischenhausen. Die nördliche Fahrspur zum Weinberg und der Tegut-Filiale hin stand für die Fahrtrichtung stadtauswärts zur Verfügung. Auf der südlichen Fahrbahn waren Biertische und Bänke sowie eine Bühne aufgebaut.
Beim traditionellen „Dämmerschoppen“ sowie dem vormittäglichen Schoppen am Sonntag (3. Juli) trafen sich die Anwohnerinnen und Anwohner der Ketzerbach sowie umliegender Straßen zu Bier und Bratwurst oder Bretzeln. Dazu gab es rockige und poppige Musik sowie das eine oder andere Gespräch.
Leider wurden die Schatten spendenden Bäume vor fast 15 Jahren abgeholzt. Das damals erbaute Wasserband ist inzwischen jedoch schon wieder stillgelegt, weil zuviel des kühlenden Wassers daraus spurlos versickert war. Auch die Pflasterung der parallel zur Ketzerbach verlaufenden Straße „Zwischenhausen“ ist inzwischen beängstigend wackelig.
Dieser Umbau war keine gute Idee oder zumindest nicht gut genug umgesetzt. Die dereinst schöne Straße von der Marbach direkt auf das Hauptportal der Elisabethkirche zu hat dadurch viel von ihrem Charme verloren. Steine statt Bäume sind auch keine gute Voraussetzung für einen nachhaltigen Klimaschutz.
Darum wäre zu überlegen, ob nicht ein Zustand wiederhergestellt werden könnte, der dem vor 1859 ähnelt: Die nördliche Fahrspur der Ketzerbach würde als Einbahnstraße in Richtung Westen befahrbar bleiben, während der Bach dort freigelegt würde, wo sich derzeit Autos auf die Elisabethkirche zu bewegen. Bäume am Bach könnten Schatten spenden und – ebenso wie das Wasser im Bachbett – für kühles Klima in der Ketzerbach sorgen.
Den Autoverkehr in Richtung Osten müsste dann die schmale Straße „Zwischenhausen“ aufnehmen. Vor 1858 war sie die Hauptstraße. Alle Zierportale der südlichen Bebauung der Ketzerbah sind nach Zwischenhausen hin ausgerichtet.
Die Bachseite war damals die Rückseite dieser Bauten. Der Bach verlief zwischen ihren Gärten und der nördlichen Straße, die zwischen dem Bach und dem Weinberg eingezwängt war. Malerisch muss das damals ausgesehen haben und wunderbar plätschernd geklungen haben mit dem Bach unter Bäumen!
Gerochen haben soll es seierzeit aber auch. Doch das muss natürlich nicht sein. Das Wasser im Bach darf durchaus sauber und geruchsarm von Marbach her durch den Bach in Richtung Elisabethkirche strömen.
Mag sein, dass dieser Vorschlag ein wenig romantisch anmutet. Mag sein, dass es gute Gründe gibt, die seiner Umsetzung entgegenstehen. Doch darüber sollte die Stadt einmal in aller Ruhe diskutieren.
Klimaschutz verlangt nach neuen Lösungen. Eine davon könnten vielleicht auch mehr Bäume und Bach in der Ketzerbach sein.

* Franz-Josef Hanke