„Leistung“ und „Effizienz“ sind die Schlagworte der neoliberalen Ideologie. Ihre Folge sind Klimawandel und Artensterben.
„Leistung muss sich wieder lohnen“, lautete eines der – gebetsmühlenartig vorgetragenen – neoliberalen Dogmen. „Der Markt wird´s schon richten“, lautete ein zweites. Zusammen sind sie für die Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der ökologischen Vielfalt verantwortlich.
„Freie Fahrt für freie Bürger“, war der – daraus abgeleitete – Slogan der Autolobby. „Bahn frei“, bedeutete dabei jedoch keineswegs, dass die Bahn als ökologisch vertretbares Massenverkehrsmittel gefördert wurde, sondern dass Tempolimits als angebliche Einschränkung der Freiheit Autofahrender verteufelt wurden. In Windeseile wollten die wild gewordenen Wagenbesitzer mit ihren riesigen Schlitten schnell quer durch die Republik rasen, um möglichst rasch am gewünschten Ziel anzukommen.
Ein Autobahnanschluss galt als unerlässlich, um eine Stadt an das Wegenetz schnellfahrender Autofans anzubinden. Eine gute Bahnverbindung hingegen schien weitaus weniger wichtig. Ein dichtes Netz dichter Straßen zerschnitt das Land bald wie ein gigantisches Spinnennetz.
Auch in Marburg hat diese Zerstörungswut einige schädliche Spuren hinterlassen. Die sichtbarste ist die hässliche Stadtautobahn. Dicht am Lahnufer entlang zerschneidet sie die Stadt mit ihrem laut lärmenden Betonband.
Alleebäume galten als Hindernis und wurden gefällt. In die Lücken zwischen den Bäumen wurden Parkbuchten für Autos gequetscht. Rasenfläche und Beete wurden zubetoniert.
Baumbestandene Alleen wie die Universitätsstraße und die Biegenstraße oder die Deutschhausstraße sowie die Schwanallee wurden zu Rennstrecken für Autos umfunktioniert. Die Fläche parallel zur Frankfurter Straße wurde versiegelt und als Parkplatz sowie für den Wochenmarkt genutzt. Das Auto forderte seinen Tribut vor Allem von den Straßenbäumen und den Rasenflächen.
Das künstliche Wasserband in der Ketzerbach ist – im wahrsten Sinne der Worte – nicht ganz dicht. Die alten Bäume dort mussten hässlichen Pflastersteinen weichen ebenso wie rund um die Elisabethkirche herum. Wo einst der Regen im Sand versickern konnte, verhindern heute Steine aus Indien den Abfluss des Regenwassers in tiefere Schichten.
Auch der Elisabeth-Blochmann-Platz wurde zugepflastert. Der Gerhard-Jahn-Platz befindet sich an einer Stelle, wo bis vor 30 Jahren noch Gärten waren. Die einst grüne Stadt ist im automobilen Individualverkehr und den ausweichenden Strömen ruhebedürftigen Fußverkehrs sehr schnell ergraut.
Der Klimawandel zwingt nun jedoch dazu, dieser autobesessenen Versteinerung Einhalt zu gebieten und den grasbewachsenen Strand unter dem Pflaster wieder freizulegen. Marburg muss – im wahrsten Sinne des Wortes – grün werden. Wenn das nicht ebenso rasch geschieht, wie die Raserei der Porsche-, BMW- und Ferrari-Fahrer voranprescht, dann werden die Menschen in der Stadt bald eingehen wie einst die Primeln in den – dem Straßenraum bereits vor vielen Jahrzehnten geopferten – Vorgärten vor den Häusern in der Innenstadt.
* Franz-Josef Hanke