Ein Verkehrsseminar haben fünf ältere Menschen bei einem Kreuzworträtsel gewonnen. Es fand im Rahmen der „Aktion Max“ statt.
Langsam fährt die seniorin mit ihrem Auto um die Kurve zum Startpunkt auf dem Messeplatz am Afföller. Der Fahrlehrer, der einige Meter entfernt von ihrem Auto steht, ruft: „Los!“
Die Fahrt der 74-jährigen Frau geht nur wenige Meter weit. Auf Höhe einiger Pylonen folgt das nächste Signal. „Jetzt, Stop“, ruft Klaus Schnitzky; und die Frau tritt vehement auf die Bremse. Sofort greift das ABS. Es rüttelt; und vibriert, das Auto steht.
Die Kooperation zwischen der Kreisverkehrswacht Marburg-Biedenkopf, dem Fachdienst Seniorenbildung beim Landkreis Marburg-Biedenkopf und der Ansprechpartner für die Verkehrsprävention beim Polizeipräsidium Mittelhessen ermöglichte das Angebot eines gezielten „Fahrsicherheitstrainings“ für Seniorinnen und Senioren. Die fünf teilnehmenden Männer und Frauen im Alter von 65 bis 78 Jahren waren die Gewinner eines Kreuzworträtsels aus der – vom Landkreis herausgegebenen –
19. Ausgabe des Seniorenblatts „Schlaue Graue“. Sie erwartete ein knapp dreistündiger theoretischer Teil am Mittwoch (8. Juni) und ein ebenso langer fahrpraktischer Teil auf dem Messegelände am hinteren Afföller am Freitag (10. Juni).
Mit „MAXimal mobil bleiben – mit Verantwortung!“ oder kurz „Aktion MAX“ wendet sich die Verkehrspräventionsarbeit der Polizei seit Ende September 2015 speziell an Seniorinnen und Senioren der Generation „Ü60“. „Im Vordergrund dieser Präventionsarbeit steht die Sensibilisierung des eigenen Bewusstseins, um seine Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen sowie die eigenen Grenzen zu erfahren und richtig zu reagieren“, erklärte Polizeipräsident Bernd Paul. „Ich freue mich sehr, dass es durch die Kooperation zu dieser – erstmals in dieser Form und unter diesem Motto angebotenen – Veranstaltung gekommen ist und bedanke mich dafür ausdrücklich bei allen Beteiligten, sagte Polizeipräsident Bernd Paul. “
Die 19. Ausgabe des Newsletters „Schlaue Graue “ enthielt neben anderen informativen und witzigen Beiträgen viele Informationen zur „Aktion MAX“eben dazu auch ein Kreuzworträsel mit Preisauslosung zur Teilnahme an einem „MAX-Fahrtraining“.
„Seitens der Seniorenbildung des Landkreises freuen wir uns sehr, dass wir eine solche Auffrischung zur Fahrsicherheit heute in Kooperation anbieten konnten“, sagte die Fachdienstleiterin Karin Lippert. „Die Teilnehmenden wurden durch ein Gewinnspiel in der 19. Ausgabe unseres Seniorenblattes Schlaue Graue ermittelt. Alle hatten Spaß, konnten ihre Kenntnisse auffrischen und bekamen viele Tipps direkt vom Fahrlehrer.“
Die Leitung des Verkehrsseminars übernahm Klaus Schnitzky von der Kreisverkehrswacht Marburg-Biedenkopf. „70 ist das neue 60, denn Seniorinnen und Senioren sind heute so fit wie noch nie“,
. „Das eigene Auto gehört natürlich genauso zum Rentnerleben dazu und ermöglicht eine uneingeschränkte Mobilität für aktive Seniorinnen und Senioren.“
Wer fit ist, kann auch Auto fahren. Um die Alten bei diesem Weg zu unterstützen, bietet die Kreisverkehrswacht Marburg die Aktion „sicher mobil“ bleiben an.
Der theoretische Teil fand in den Räumen der Fahrschule „Fahrwerk“ am Marburger Südbahnhof statt. Tobias Decher vom Regionalen Verkehrsdienst Marburg begrüßte die Gewinner in den Räumen der Fahrschule. Der Hauptkommissar griff mit anschaulichen Beispielen die möglichen Veränderungen und Risiken des Älterwerdens im Hinblick auf eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr auf.
„Wenn Augenlicht oder Gehör mit zunehmendem Alter schlechter werden, hat dies auch unmittelbar Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit“, stellte er fest. Mangelnde Fahrpraxis sei zudem ein Auslöser von Unsicherheit am Steuer.
Dabei fand Decher die Zustimmung der Senioren. Der Polizist machte Mut, sich solchen Herausforderungen regelmäßig zu stellen und dabei den eigenen körperlichen Zustand im Blick zu haben. „Wie fit man fürs Autofahren ist, ist keine Frage des Alters, sondern der individuellen körperlichen und geistigen Konstitution“, betonte Decher.
Für viele Senioren sei Autofahren aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrungen eine Routineangelegenheit. Doch wie gut reagieren sie bei einem unerwarteten Brems- oder Ausweichmanöver? Bei einem Fahrsicherheitstraining können ältere Verkehrsteilnehmende einfach überprüfen, wie sicher sie mit dem Auto unterwegs sind und wo es noch Verbesserungspotential gibt.
Bei der kleinen Vorstellungsrunde äußerten die Teilnehmenden übereinstimmend ähnliche Schwierigkeiten und Probleme bei der Teilnahme am Straßenverkehr. Rückwärtsfahren oder Einparken seien aufgrund der körperlichen Gegebenheiten nicht mehr so einfach. Angesichts des hohen Verkehrsaufkommens trete zudem im Verkehr schneller eine Überforderung ein.
Das gelte gerade in den größeren Städten. Der Umgang mit neuer Fahrzeugtechnik oder Assistenz-Systemen sei oftmals schwer und unsicher, hier fehle es an geeigneten Angeboten für ältere Verkehrsteilnehmer.
Mangelnde Fahrpraxis erzeuge bei vielen zudem Unsicherheit. Einig war man sich in der Hoffnung, dass das Training zu einer Verbesserung oder Optimierung der eigenen Fahrfähigkeiten beitrage. Zudem sahen die Senioren es als gute Möglichkeit an, aktiv etwas gegen die im Alter nachlassende Fahrpraxis zu tun und gleichzeitig das Wissen über die Vorschriften im Straßenverkehr auf einem aktuellen Stand zu halten.
Schnitzky stellte anschließend zahlreiche neue oder veränderte Verkehrsregeln oder neue Verkehrszeichen vor. Die vielen Neuerungen im Verkehrsrecht erklärte er den Teilnehmenden in der notwendigen Tiefe und beantwortete zahlreiche Fragen. Was ist verboten, was nicht? Welche Ausnahmen oder Besonderheiten gilt es zu beachten?
So manches Verkehrszeichen war den Älteren nicht bekannt oder wurde anders interpretiert. Letztlich ist es die aktiv gelebte Eigenverantwortung der Senioren, die dazu beiträgt, die eigene Mobilität möglichst lange zu erhalten, erklärte der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht. Dazu gehöre ferner das Wissen um die geltenden Verkehrsregeln, denn auch das trage maßgeblich zu einer sicheren Teilnahme am Straßenverkehr bei.
Nach über drei Stunden und zahlreichen Zwischenfragen verabschiedete der Fahrlehrer seine etwas älteren „Fahrschüler“, die sich nun allesamt auf den praktischen Teil freuten. Im von den von Fahrlehrern und den polizeilichen Ansprechpartnern der „Aktion MAX“ begleiteten fahrpraktischen Teil des Seminars am Freitag stand die Sensibilisierung der Senioren für sicheres Fahren und die Stärkung der Eigenverantwortung.
In den Fahrübungen mit dem eigenen Auto geht es um das richtige Bremsen und das Bremsen in Notsituationen beziehungsweise eine Gefahrenbremsung. Die Slalomfahrt dient zur Erklärung der Fahrdynamik und zur Verbesserung der Blicktechnik. Ein „Abschätztest“ für eine Tordurchfahrt (passe ich mit meinem
Gefährt da durch?) und eine Wendeübung im Quadrat sowie weitere Parkübungen gehören ebenfalls zum Programm.
So trainieren die Senioren eine vorausschauende Fahrweise. Dem Rückwärtsfahren, was ja vielen Seniorinnen und Senioren – wie sie auch einräumten – Schwierigkeiten bereitet, ist eine eigene Trainingseinheit
„gewidmet. „Es sind gerade die komplexen Situationen beim Autofahren, welche die Senioren stark fordern“, sagte Schnitzky. Die Teilnehmer führen diese Übungen nach erfolgten Erklärungen und unter Anleitung des Fahrlehrers alleine mit ihrem eigenen Auto durch. Mit jedem Teilnehmer gibt es zudem eine Fahrt mit Fahrlehrer, um das Handling, das Bremsen oder andere Dinge direkt und objektiv zu begutachten und im persönlichen Feedback mögliche Optimierungen aufzuzeigen.
Informationen zu Bremstechniken, Reifen, Fahrphysik oder die Wirkung von Fahrassistenzsystemen und reichlich Praxistipps gibt es direkt immer aus erster Hand. „Hilfreich bei solchen Trainings sei neben der Theorie und der Fahrpraxis auch der Austausch mit Gleichgesinnten“, erläuterte Schnitzky.
Sowohl die Veranstalter als auch die beteiligten Seniorinnen und Senioren zogen zum Abschluss der zweigeteilten Veranstaltung ein positives Fazit zu dem speziellen Fahrtraining. „Theorie und Praxis haben mir unheimlich viel Spass gemacht“, erklärte jemand aus der Gruppe. „Über die anfänglichen Defizite bei den Einparkübungen war ich sehr erstaunt, dies hätte ich so nicht erwartet.“
Auch die mit 77 Jahren älteste Teilnehmerin fand das Training sehr schön. Die Anregungen des Fahrlehrers möchte sie künftig besser beachten. Das Seniorenblatt „Schlaue Graue“ mit Rätseln, Rezepten, informativen und lustigen Beiträgen, finden Interessierte unter www.vhs-marburg-biedenkopf.de/news-artikel/schlaue-graue-neue-ausgabe/.
* pm: Polizei Marburg