Kalzium kuriert: Wellen bewegen Zellen zum Wundverschluss

Ein Team aus der Marburger Medizin hat aufgeklärt, wie das Zellskelett auf Verletzungen des Gewebes reagiert. Kalziumwellen bewegen Zellen zum Wundverschluss.
Erleidet die äußere Hautschicht eine Verletzung, so sorgt Kalzium dafür, dass sich das Zellskelett in den Zellen rund um die Wunde nicht versteift. Die größere Beweglichkeit ermöglicht es dem Gewebe dann, die Wunde schnell zu verschließen. Das hat eine Forschungsgruppe um den Physiologen Prof. Dr. Sven Bogdan von der Philipps-Universität herausgefunden.
Das Team berichtet im Wissenschaftsmagazin „Nature Communications“ über seine Ergebnisse. Nahezu alle tierischen Zellen benötigen das Gerüstprotein Aktin, um ein Zellskelett zu bilden, das die Form der Zelle und deren Beweglichkeit kontrolliert. Falls nötig, lagern sich Aktin-Fäden zu Verstrebungen zusammen, um Ausstülpungen oder Zellfortsätze zu bilden.
„Kalziumwellen gelten als wichtiges Signal, das auf das Aktin-Zellskelett einwirkt“, erklärte Studienleiter Bogdan. „Aber die zugrundeliegenden Mechanismen sind nach wie vor schlecht verstanden.“
Das Team stellte fest, dass das Protein Swip-1 dafür sorgt, Aktin-Fäden miteinander zu vernetzen. „Um ihre Beweglichkeit zu erhalten, sind die Zellen aber auch in der Lage, stark vernetzte Gerüste in schwach vernetzte, viskose Netzwerke umzuwandeln“, erläuterte der Physiologe.
Wie schaffen die Zellen es, umzuschalten? Um das herauszufinden, entwickelten Bogdan und sein Team einen Versuchsaufbau, in dem sie mit einem Schneidelaser einzelne Zellen aus dem Gewebe eliminieren können; was passiert anschließend in den übrig gebliebenen Nachbarzellen am Wundrand?
„Die Verwundung verändert die Lage dramatisch“, berichtete Bogdans Mitarbeiterin Franziska Lehne. Sie ist die Erstautorin des Fachaufsatzes.
Wie ein Video der Forschungsgruppe zeigt, überschwemmt als erstes eine Kalziumwelle das Gewebe. Dann beginnen Zellen am Wundrand damit, die Wunde zu schließen. „In den ersten Minuten sammelt sich in diesen Zellen der Gerüstbaustein Aktin, um breite Ausstülpungen zu bilden, sogenannte Lamellipodien“, schilderte Lehne das Geschehen.
Danach bündeln sich Aktin-Fäden eher am Wundrand und verkürzen sich, so dass Zellen in Richtung der Wunde gezogen werden und sie verschließen wie einen Reisverschluss. Die Forschungsgruppe klärte auch den Mechanismus auf, der in der Fruchtfliege wie beim Menschen die Aktin-Vernetzung steuert: Demnach verknüpft Swip-1 die Aktin-Fäden viel weniger stark, wenn Kalzium vorhanden ist, als wenn es fehlt.
„Unsere Daten zeigen, dass Kalzium das Vernetzungsprotein Swip-1 davon abhält, das Aktin-Gerüst im Zellinneren zu versteifen“, fasste Bogdan zusammen. „Diese schnelle Umorganisation der bestehenden Aktin-Netzwerke treibt den Wundverschluss voran.“
Bogdan lehrt Physiologie und Pathophysiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität. Neben seiner Arbeitsgruppe beteiligten sich die Universität Göttingen sowie die Medizinische Hochschule Hannover an der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Arbeit. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finanziell gefördert.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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