Plausibel planen: Stadt nimmt Stellung zum Regionalplan

Die Stadt Marburg nimmt Stellung zum Regionalplan Mittelhessen. Sie fordert eine überregionale Verkehrsanbindung des Pharmastandorts.
Wo können in Marburg neue Wohnungen und Häuser gebaut werden? Wo soll Platz sein für Gewerbe, wo für Mobilität, für Grünflächen? Die Antwort darauf gibt der sogenannte „Regionalplan Mittelhessen“ des Regierungspräsidums Gießen (RP).
Der Entwurf für das kommende Jahrzehnt liegt derzeit offen – die Stadt Marburg nimmt dazu Stellung und schlägt Änderungen vor. Besonders gilt das für den Bereich der Gewerbegebiete.
„Der Regionalplan legt für die nächsten zehn Jahre fest, wie wir uns in der Region und mit der ganzen Region räumlich weiterentwickeln und bei welchen Flächen wir in Marburg über eine Nutzung entscheiden dürfen“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Deswegen ist es wichtig, dass unsere Ideen, Pläne und Lösungsvorschläge auch Berücksichtigung im Regionalplan finden. Nur wenn wir Handlungsoptionen haben, können wir künftige Entwicklungen planen.“
Die im Plan ausgewiesenen Flächen seien „mögliche Optionen, die wir für das Gesamtinteresse der Stadt nutzen können. Das bedeutet aber natürlich keinesfalls, dass wir auch jede dieser Option vollends ausnutzen wollen, sondern Spielraum haben.“
Die Stadtverwaltung hat sich in den vergangenen Wochen intensiv mit dem Entwurf auseinandergesetzt und eine Stellungnahme mit fachlichen Anmerkungen und Vorschlägen dazu ausgearbeitet – berücksichtigt wurden dabei auch die Anmerkungen der Ortsbeiräte.
Diese Stellungnahme wird Ende März der Stadtverordnetenversammlung (StVV) vorgelegt. Sie entscheidet dann, wie die Rückmeldung an das RP lauten wird.
Aufgestellt wird der Regionalplan dann nach der Offenlegung und Überarbeitung von der Regionalversammlung Mittelhessen. Er umfasst den gesamten Regierungsbezirk Mittelhessen mit 101 Kommunen und einen Planungshorizont von 10 bis 15 Jahren. Der RP als regionale Verwaltungsebene des Landes Hessen ist für den Prozess verantwortlich.
Ganz wichtig ist der Universitätsstadt Marburg eine Forderung an das Regierungspräsidium Gießen: „Wir brauchen eine verbesserte und konfliktärmere Verkehrsanbindung der Marburger Pharmastandorte – die nicht zulasten der Nachbarkommune Lahntal sein darf“, betonte Spies. Marburg erarbeite derzeit ein Konzept zur Vermeidung unnötiger Verkehre in der Stadt selbst. Es brauche aber auch eine intelligente Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz, die Lösungen für die großen Herausforderungen der Zukunft bietet besonders für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Der Regionalplanentwurf sieht einen Bedarf von 147 Hektar Fläche vor, um den Wohnraumbedarf in Marburg zu decken. Dabei geht der RP von 4408 Wohnungen aus, die in Marburg benötigt werden. Basis für diese Zahlen ist die Wohnungsbedarfsprognose des „Instituts für Wohnen und Umwelt“ aus Darmstadt.
Die vorgesehene Hektarzahl ist aus Sicht der Stadt überdimensioniert. Marburg schlägt vor, den Ansatz zu reduzieren: Insbesondere am Hasenkopf soll nicht mehr gebaut werden, als der städtebauliche Wettbewerb ergeben hat.
Die „überschüssige“, nicht genutzte Fläche, solle aus dem RP als Siedlungsoption gestrichen werden. „Grundsätzlich ist unser klares Ziel, vor allem auf Innenentwicklung zu setzen“, erklärte Spies. „Diese Strategie verfolgen wir seit Jahren.“
Dennoch werden bei dem errechneten Wohnraumbedarf auch weitere Neubaugebiete realisiert werden müssen. Weil Marburg „innen vor außen“ seit vielen Jahren umsetzt und im Innenbereich nur noch wenig Spielraum ist. Für Michelbach regt die Verwaltung an, die Fläche zwischen dem Altort und Nord als Entwicklungsfläche für Wohnraum einzubeziehen – damit die beiden Bereiche räumlich zusammenwachsen können. „Insgesamt wünschen wir uns, dass wir gerade bei den Außenstadtteilen die Möglichkeit bekommen, die Siedlungen abzurunden, um weniger komplett neue Baugebiete zu erschließen“, erläuterte Spies.
Der RP sieht für Marburg einen Bedarf an 56 Hektar Gewerbefläche – und zusätzlich 25 bis 35 Hektar im Raum Kirchhain/Stadtallendorf für interkommunale Gewerbeflächen vorrangig für Verlagerungen und Neugründungen aus der Frankfurter Metropolregion. Die Zahlen basieren auf einer Prognose des „Prognos Instituts“ von 2019.
„Für Marburg ist es als Oberzentrum sehr wichtig, eigene Gewerbeflächen anbieten zu können“, erklärte Spies. „So schaffen wir Arbeitsplätze, die wohnortnah und gut durch den ÖPNV angebunden sind.“
Das sei attraktiv für Wirtschaft und Mitarbeiter*innen und ebenso ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Mit Blick auf den Klimaschutz will Marburg aber auch wirtschaftliches Handeln an sozial-ökologischen Maßstäben ausrichten. Das bedeutet, dass die Stadt Marburg bei der Vergabe von Gewerbeflächen einen besonderen Blick auf die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, einen sparsamen Flächenverbrauch sowie klimafreundlichen Bau und Betrieb von Unternehmen setzen will.
„Damit wir dieses Konzept auch angehen können, brauchen wir zwingend eigene Flächen“, forderte Spies. Nicht alle Flächenoptionen müssten auch tatsächlich entwickelt und bebaut werden, schließlich gebe es auch Umstrukturierungen in bestehenden Gewerbeflächen.
„Aber das ist eine langfristige Entwicklung“, erläuterte der Oberbürgermeister. „Deswegen müssen wir schon jetzt flexibel sein und attraktive Angebote machen können.“
Die Stadt Marburg merkt in ihrer Stellungnahme kritisch an, dass die Gewerbefläche Gisselberg-Nord, als Erweiterung nördlich des bestehenden Gewerbes an der Gießener Straße, nicht im Regionalplan enthalten ist. Im bislang geltenden Plan waren die elf Hektar Fläche für Gewerbeentwicklung noch vorgesehen.
„Das ist eine gute Option für ein Gewerbegebiet und hat für uns oberste Priorität“, bekräftigte Spies. Denn: es sei nahe an der Stadtautobahn B3A gelegen. Außerdem tangiert es keine Wohngebiete, hat eine ebene Topographie, ist eingebunden in Radwege- und ÖPNV-Netze.
Zur übrigen Lahnaue gibt es bereits eine Trennung durch den Straßendamm der ehemaligen Bundesstraße B255. Grund für die Streichung durch den RP ist die Befürchtung, dass diese Fläche bei einem „Jahrhunderthochwasser“ rechnerisch wenige Zentimeter überflutet würde. „Diese Rechnung ist aber ohne das große Rückhaltebecken bei Großseelheim gemacht“, betonte Spies.
„Die Hochwasserlinie muss neu berechnet werden“, forderte er. „Hier sollte eine Gewerbeentwicklung – natürlich unter Auflagen des Hochwasserschutzes – möglich sein.“
Der Hochwasserschutz werde immer wichtiger. „Wir nehmen das sehr ernst“, bekräftigte Spies. „Wir können dem aber durch weitere Maßnahmen – zum Beispiel Renaturierungen im südlichen Lahnbereich – gerecht werden.“
Das eingezeichnete Gebiet bei Moischtwill die Stadt nach Süd-Osten Richtung Biogasanlage zu verschieben. Schafft Gisselberg es wieder in den Regionalplan, sollte die Vorrangfläche bei Moischt auf etwa 22 Hektar verkleinert werden. „Wir sehen aber gar keine Notwendigkeit mehr, die Fläche bei Moischt überhaupt zu nutzen, wenn wir mehr Spielraum im Lahntal bekommen“, betonte der Oberbürgermeister.
Für eine Fläche bei Cappel regt die Stadt an, es als Fläche für die Landwirtschaft in den Plan zu schreiben. „Hier werden uns 6,7 Hektar Gewerbefläche suggeriert, die wir gar nicht sinnvoll entwickeln können“, erklärte Spies. Der Erschließungsaufwand sei sehr hoch – die Flächen hingegen nur sehr eingeschränkt nutzbar wegen ihrer Lage zwischen der B3a und den Bahngleisen sowie einem sehr ungünstigen Zuschnitt.
Für die Weiterentwicklung des Gewerbegebiets Görzhäuser Hof III hat die Stadt insbesondere die Anmerkung, dass das Regierungspräsidium einen Lösungsvorschlag zur verbesserten Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz erarbeiten solle – dabei solle auch ein Bahnanschluss in den Blick genommen werden.

* pm: Stadt Marburg

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