Die Stellungnahme des Magistrats zum Regionalplan stellt Ausgewogenheit zwischen Entwicklungspotenzialen und sozial-ökologischen Zielsetzungen her. Das erklärte die Marburger Rathaus-Koalition am Mittwoch (9. März).
Die Koalition aus Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Klimaliste begrüßt die Stellungnahme des Magistrats der Universitätsstadt Marburg zum Entwurf des neuen Regionalplans: „Wir sehen sowohl in der übergeordneten Regionalplanung des Regierungspräsidiums und noch viel mehr in zukünftigen Umsetzungen die Notwendigkeit, die verschiedenen Ziele in Einklang zu bringen, die sich in Gegenwart und Zukunft stellen: den Bedarf an Wohnraum und potenziellen Flächen für Gewerbeentwicklung und qualifizierte Arbeitsplätze zu erfüllen, der besonderen Bedeutung unserer lokalen Verantwortung für den Klimaschutz und der Klimafolgenanpassung gerecht zu werden sowie den Flächenverbrauch zu minimieren.“ Die Koalition betont dabei, dass sie sich dieser Herausforderung stellt und macht deutlich, dass sie bei allen Vorhaben für hohe qualitative soziale und ökologische Entwicklungsziele steht.
„Wir bekennen uns bezüglich der Entwicklung neuer Siedlungsgebiete zu dem Grundsatz „innen vor außen“ und sehen aber zugleich, dass die Möglichkeiten begrenzt sind“, erklärt die Koalition weiter. Sie möchte den Wohnraumbedarf vor allem durch höhere Siedlungsdichten befriedigen und dadurch den Flächenverbrauch pro Einheit weiter minimieren. Künftig genutzte Flächen sollen so nachhaltig und klimafreundlich wie möglich entwickelt werden.
Dazu gehört auch, dass eine Siedlungsentwicklung prioritär dort stattfinden soll, wo die Nähe von Arbeitsplatz und Wohnort gegeben und eine gute Verkehrsanbindung gewährleistet oder herstellbar ist . Das gilt insbesondere für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und den Radverkehr. Bei der Entwicklung wird die Koalition zudem beispielsweise mit Hilfe der Erkenntnisse aus der strategischen Umweltprüfung den Biotop- und Artenschutz in besonderer Weise berücksichtigen.
Die Verkleinerung der potenziellen Siedlungsfläche am Hasenkopf auch im Regionalplan setzt das um, was die Koalition schon im Februar in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) beschlossen hat. Durch die Umsetzung des städtebaulichen Entwurfs wird für die geplante Zahl an Wohnungen weniger Fläche benötigt. Dadurch kann ein Teil des Vorranggebiets dem Biotopverbund zugeordnet werden.
Auch weitere Verkleinerungen von Siedlungsgebieten begrüßt die Koalition aus Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Klimaliste: So werden die Stellungnahmen der Ortsbeiräte Michelbach und Schröck bezüglich der dort vorgesehenen Entwicklungsoptionen für Wohngebiete ausdrücklich unterstützt. Gleichwohl bleibt die Aufgabe, in Marburg ausreichenden und vor allem bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Die Stellungnahme des Magistrats zu den potenziellen Gewerbegebieten findet in der Koalition ebenfalls Unterstützung: „Wir begrüßen es sehr, dass die Stellungnahme in Moischt eine Verschiebung des Gebiets in Richtung Süd-Ost zur Biogasanlage sowie eine Verkleinerung der Potenzialfläche um ein Drittel auf etwa 22 Hektar vorsieht“, erklärte die Fraktionsvorsitzende Marion Messik von Bündnis 90/Die Grünen.
„Angesichts des Klimanotstandes müssen wir die Versiegelung in Marburg so stark wie möglich begrenzen“, erklärte Oliver Kienberg von der Klimaliste. „Die Neubildung von Grundwasser und der Erhalt von Versickerungsflächen für Regenwasser muss Vorrang vor der Entwicklung neuer Gewerbeflächen haben.“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Steffen Rink ergänzte: „Der Regionalplan zeigt Möglichkeiten und Potenziale auf, wo künftige Bedarfe vorrangig befriedigt werden können.“ Seine Maxime lautet: „Je mehr potenzielle Optionen vorhanden sind, desto eher können wir unsere Vorstellungen umsetzen: Eine Wirtschaft, die nachhaltig und regional ausgerichtet ist, die auf zukunftsfähige Branchen setzt und die in ihrem Handeln sowohl der Verantwortung für qualifizierte Arbeitsplätze als auch für den Klimaschutz gerecht wird. Deswegen wollen wir weder Lagerhallen für den Online-Handel noch hohen Ressourcenverbrauch oder Emissionen.“
Das Gebiet Gisselberg-Nord, das im Regionalplan von 2010 enthalten war, ist im Entwurf für den neuen Regionalplan nicht mehr zu finden. Es bietet jedoch eine gute Verkehrsanbindung an die Bundesstraße B3 ebenso wie an Radwege.
Grünen-Fraktionsvorsitzender Christian Schmidt meinte dazu: „Eine Wiederaufnahme dieses aus unserer Sicht gut geeigneten Gebietes könnte die Belange des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der Universitätsstadt in ein ausgewogenes Verhältnis bringen.“ Das Gewerbeentwicklungskonzept, das im Jahr 2017 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde, sah vor, eine Fläche südlich der Südspange und westlich der Autobahn als mögliches Gewerbegebiet für den neuen Regionalplan vorzuschlagen.
Die Koalitionspartner sehen gleichermaßen die vielen Aspekte der guten Verkehrsanbindung als auch die gute Erreichbarkeit mit ÖPNV und Fahrrad für mögliche Beschäftigte, die für die Entwicklung an dieser Stelle sprechen. Dennoch wird die Koalition die Festlegung des Regierungspräsidiums akzeptieren, in diesem Bereich dem Hochwasserschutz Vorrang einzuräumen. Man schließe aber nicht aus, später – falls durch Renaturierungsmaßnahmen an der Lahn ausreichend Retentionsraum geschaffen und der Hochwasserschutz in anderer Weise gewährleistet werden kann – die Nutzung der Fläche erneut zu überdenken.
Im Rahmen des geplanten Gewerbegebiets Michelbach/Görzhäuser Hof III sollen zudem Lösungsmöglichkeiten für eine verbesserte Verkehrsanbindung des Pharmastandortes eingefordert werden – Dazu gehört für die Koalition neben den Ausbaumöglichkeiten im Bereich des Busverkehrs und der forcierten Radverkehrsplanung auch die Möglichkeit eines Bahnanschlusses. „Es sollte auch die Aufgabe des Regierungspräsidiums sein, nicht nur Flächen auszuweisen, sondern die damit verbundenen Auswirkungen für Mobilität und Infrastruktur mit zu betrachten und Lösungen vorzuschlagen“, sagte Rink.
Die Stadt wird in ihrer Stellungnahme auch an die Regionalversammlung appellieren, die Regionalplanung generell auf Grundsätze der sozial-ökologischen Transformation – wie sparsame Flächennutzung, Qualität der Arbeitsplätze und Konzepte für die Mobilitätswende – zu stützen. Gerade zu letzterem Punkt erscheint aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Klimaliste eine Ergänzung der Stellungnahme um die Aufnahme zweier weiterer Bahnhaltepunkte in Gisselberg und Wehrda neben dem bereits im Regionalplanentwurf vorhandenen Haltepunkt „Marburg-Mitte“ sinnvoll. „Durch die Schaffung weiterer Schienenverkehrsstationen kann die Erreichbarkeit Marburgs und die Attraktivität des ÖPNV verbessert werden“, betonte Schmidt.
* pm: Die Grünen Marburg
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