Marburg ist Deutschlands Stadt mit den größten Verbesserungen im Radverkehr. Den Titel als bundesweit für Fahrräder am meisten verbesserte Stadt zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnenden hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) verliehen.
Als „Anerkennung und Auftrag“ hat Dr. Thomas Spies diese Auszeichnung bezeichnet. Der Oberbürgermeister würdigte am Freitag (21. Juli) die Verbesserungen der letzten Jahre und gab neue Ziele vor.
„Die Auszeichnung beim Fahrradklima-Test ist ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass die Marburgerinnen und Marburger unsere Bemühungen um ein respektvolles Miteinander aller Verkehrsmittel wahrnehmen und zu schätzen wissen“, erklärte er. „Es ist nicht so, dass in den Jahren zuvor wenig passiert ist.“
Marburg sei durch seine Lage zwischen zwei Bergen und mit seinen historischen engen Straßen und der gepflasterten, hügeligen Oberstadt „von den Voraussetzungen her nicht mit einer flachen Großstadt wie Münster zu vergleichen“. Dennoch sei in den vergangenen Jahren einiges erreicht worden, das sich jetzt auszahle: „Wir tauschen uns im Radverkehrsbeirat mit verschiedenen Interessengruppen aus, sind mit dem Ohr ganz nah dran und denken Fahrräder bei unserer Verkehrs- und Bauplanung immer mit.“
So sind in den letzten Jahren bei großen Bauprojekten wie dem Erwin-Piscator-Haus (EPH) an der Biegenstraße und der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes „neben dem Auto und dem ÖPNV immer auch Fahrräder, genauso Kinderwagen, Rollstühle und blinde Menschen“ in die Planungen einbezogen worden. „Wir bringen das Fachwissen aus der Verwaltung mit den praktischen Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger zusammen und finden gemeinsam die besten Lösungen“, erläuterte Spies.
„Abgesenkte Bordsteine, Fahrradstellplätze und – wo möglich – eigene Fahrbahnmarkierungen – dazu eigene Fahrradampeln – sind das Ergebnis dieser engen Zusammenarbeit“, erläuterte Radverkehrsbeauftragte Katharina Grieb. Ein Fahrradleihsystem mit über 20 Standorten von Deutscher Bahn (DBAG), Stadtwerken Marburg (SWM), Stadt und dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) werde hervorragend angenommen. Aber auch kleinere Maßnahmen wie die Öffnung von – in Marburg häufigen – Einbahnstraßen für Fahrrad-Gegenverkehr hätten neben bestehenden Fahrradwegen „direkt an der Lahn, mitten in der Stadt, aber im Grünen“ die Situation für Fahrradfahrende merklich verbessert.
Marburg hatte 2016 sogar mit einer Weltpremiere bundesweit für Aufsehen gesorgt. Siemens hatte in Zusammenarbeit mit der TU München eine Grüne-Welle-App für Fahrräder am Erlenring erprobt.
Geschehen sei das „mit einigem Erfolg“, wie Michael Hagenbring von der Straßenverkehrsbehörde zu berichten wusste. „Das Projekt SiBike wird hier in Marburg im Herbst in eine finale Testphase gehen“, kündigte Hagenbring an.
„Wenn wir das am Erlenring und an weiteren zentralen Straßen hinbekommen, ist das eine Sensation besonders für unsere fahrradbegeisterten Studierenden“, meinte Oberbürgermeister Spies, der selbst an diesem Test teilgenommen hatte. Dann schwärmte er: „Wenn du mit dem Fahrrad auf eine Ampel zufährst und diese, weil es der Verkehr zulässt, für dich auf Grün springt, spart dir das eine Menge Kraft und macht einfach echt Spaß.“
Diese Maßnahmen hatten auch die Teilnehmenden der Online-Befragung „Fahrradklima-Test“ gewürdigt. Sie sahen deutliche Verbesserungen in den Bereichen „gutes Angebot öffentlicher Leihfahrräder“, Öffnung „vieler Einbahnstraßen“ für Fahrräder und „gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums“.
Gleichzeitig wurden auch Verbesserungsmöglichkeiten deutlich. eine „schlechte Führung an Baustellen“, „schmale (Rad)wege“ und „seltene Falschparkerkontrollen auf Radwegen“ wurden vor allem genannt.
Die Auszeichnung zum besten „Aufsteiger“ hängt nun in der Straßenverkehrsbehörde „öffentlich im Wartebereich, weil wir darauf stolz sind“, berichtete Spies. „Wir freuen uns über den großen Fortschritt, sind mit einem Mittelfeldplatz aber noch nicht zufrieden“, erklärte er mit Blick auf den Fahrradklima-Test. „Mit dem Radverkehrsentwicklungsplan haben wir in diesem Jahr einen umfangreichen Leitfaden beschlossen, den wir in den nächsten Jahren durch konkrete Maßnahmen mit Leben füllen wollen.“
Geschehen soll das „natürlich mit breiter Beteiligung“. Neben der Grünen-Welle-App sei die Anbindung der Lahnberge mit Universität und Klinikum über die Panoramastraße im Norden und die Großseelheimer Straße im Süden eines der nächsten großen Gemeinschaftsprojekte unter anderem mit Hessen-Mobil.
„Sobald die neue Universitätsbibliothek auf dem Campus Firmanei eröffnet und täglich Tausende Studierende das Nordviertel zu Fuß und mit dem Fahrrad beleben, reden wir noch mal von einer ganz anderen Dimension des Radverkehrs in der Innenstadt“, ordnete Spies die größte anstehende Entwicklung in der Stadt ein. „Das ist eine gewaltige Chance für die Attraktivität Marburg.“
Auch in Zukunft werde die Verkehrsplanung in Marburg transparent und mit breiter Beteiligung ablaufen. „Dass immer mehr Marburgerinnen und Marburger das Fahrrad und das E-Bike für sich entdecken, freut uns“, erklärte Spies. „Denn in einer historischen Stadt mit engen Wegen passen einfach mehr Fahrräder als Autos auf die Straße.“
Am Ende profitierten alle. Die Radfahrenden profitierten von der Bewegung und alle anderen von der besseren Luft.
Der Fahrradklima-Test ist die bundesweit bedeutendste Auszeichnung für Radverkehrsplanung. Sie wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.
Die Universitätsstadt Marburg erhielt im aktuellen Test die Gesamtnote 3,7. Damit belegte sie Platz 39 der Städte zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern. Damit war sie vom vorletzten Platz 98 ins Mittelfeld geklettert und vom ADFC als bundesweit bester „Aufsteiger“ geehrt worden.
* pm: Stadt Marburg