„Süßes oder Saures?“, fragen verkleidete Kinder draußen vor der Tür. Seit einigen Jahren ist „Halloween“ auch in Marburg zu einem neuen Brauch geworden.
Ein angestammtes einheimisches Brauchtum ist das nicht. Doch für Süßwarenfabriken und den gespenstischen Handel ist der erpresserische Mummenschanz in der Nacht vor Allerheiligen wahrscheinlich „die gute Nachricht der Woche“. Nach dem langanhaltenden Horror der Corona-Pandemie ist die klingende Kasse zu „Halloween“ sicherlich eine gute einkommensquelle für viele Geschäfte.
Historischer Ursprung dieses Brauchs ist Irland. Dort vertrieben bereits die Kelben „böse Geister“ in der Nacht vor ihrem Wintranfang, indem sie sich selbst als Gespenster verkleideten und den gefürchteten Mächten Süßigkeiten oder Speisen anboten, um sie so zu besänftigen. „Zuckerbrot und Peitsche“ zeigten sich dort in erschreckenden Verkleidungen und begütigenden Süßigkeiten.
Über irische Einwanderer in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und insbesondere Hollywood ist dieser – zwischenzeitlich christlich unterfütterte – Brauchdann seiit den 90er Jahren auch nach Deutschland vorgedrungen. Kinder kennen es nicht mehr anders und erwarten nun Süßigkeiten am Abend des 31. Oktober.
Obwohl Marburg protestantisch geprägt ist, hat sich der katholische Brauch heidnischen Ursprungs inzwischen auch hier festgesetzt. Ähnlichkeiten mit dem „Schnörzen“ am Martinsabend im katholischen Rheinland sind offensichtlich, wobei es dort nur die Bitte nach „Süßem“, nicht aber die Drohung mit „Saurem“ gibt. Die traditionelle Aushöhlung von Rüben oder Kürbissen als gespenstische ist beiden Traditionen gemein, wobei am Martinsabend niemand erschreckt werden soll.
Gerade die Drohung und das Verbreiten von Schrecken ist die eigentliche Unsitte von Halloween. Zahlreiche Übeltaten haben die Nächte vor Allerheiligen in den vergangenen Jahren auch in Marburg hervorgebracht. Aus Ärger über geschlossene Türen wurden Türschlösser verklebt oder Eier an Hauswände geworfen.
Verzogene egoistische Blagen sind eine weitere mögliche Folge der Geisternacht. Die Geister, die dieser Brauch vertreiben sollte, hat er am Ende selbst auf den Plan gerufen. Sie heißen „Egoismus“ und „Rache“.
Würden alle Kinder, die sich zu Halloween auf Marburgs Straßen tummeln, auch nach weihnachten als Sternsinger herumziehen und für einen guten Zweck um Spenden bitten, wäre das Ganze dann wvielleicht noch erträglich. Eine andere Möglichkeit wäre auch, den brauch um Aktivitäten zugunsten des Klimaschutzes umzuwidmen. Wer dem Klima nicht „Süßes“ gibt, der wird sonst nämlich garantiert „Saures“ ernten.
* Franz-Josef Hanke