Den „Göttinger Friedenspreis“ hat der Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies am Samstag (11. September) im Deutschen Theater Göttingen entgegen genommen. Neben ihm wurden die Äbtissin M. Mechthild Thürmer sowie die Bewegung Seebrücke mit der Kampagne „Sichere Häfen“ ausgezeichnet.
„Wer Menschen in entwürdigenden Verhältnissen belässt, obwohl Abhilfe so leicht möglich wäre, entwürdigt sich selbst“, erklärte Spies bei der Preisverleihung. Der Göttinger Friedenspreis, der bereits zum 23. Mal vergeben wird, ging 2021 zu gleichen Teilen an die Äbtissin M. Mechthild Thürmer, die Bewegung Seebrücke mit ihrer Kampagne „Sichere Häfen“ und den Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Der Preis ist mit insgesamt 5.000 Euro dotiert.
Das Preisgeld geht zu gleichen Teilen an Thürmer und die Bewegung Seebrücke, da Thomas Spies als Amtsträger kein Preisgeld entgegennehmen darf. Die Preisträger*innen wurden ausgezeichnet für ihr Engagement für sichere Fluchtwege und eine gesicherte Aufnahme von Menschen, die versuchen, aus lebensbedrohlichen Gewaltsituationen (Kriege und Bürgerkriege, Vertreibung, Folter, Verfolgung aus politischen, ethnischen, religiösen und anderen Gründen, existentielle wirtschaftliche Not) über das Mittelmeer und andere Routen nach Deutschland und in andere europäische Staaten zu gelangen und dort Aufnahme und Schutz zu finden.
Äbtissin Thürmer ist angeklagt vor dem Amtsgericht Bamberg, weil sie in mehreren Fällen Flüchtigen in ihrer Abtei illegal Kirchenasyl gewährt haben soll. Beispielsweise gewährte sie im Jahr 2018 einer Eritreerin Kirchenasyl, die nach Italien abgeschoben werden sollte. Die Staatsanwaltschaft wirft Thürmer Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt vor.
Das Amtsgericht droht der Äbtissin mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe. „Als Christin stehe ich in der Pflicht, Menschen in der Not beizustehen“, begründet Thürmer das von ihr gewährte Kirchenasyl. „Ich habe mir vorgestellt, dass Jesus das auch so gemacht hätte, um Menschen zu helfen, die Schutz suchen.“
Die Bewegung „Seebrücke“ gründete sich Ende Juni 2018, als das Schiff „Lifeline“ mit 234 Menschen an Bord tagelang im Mittelmeer auf hoher See ausharren musste und in keinem europäischen Hafen anlegen konnte. Die Seebrücke mit ihren zahlreichen Lokalgruppen in deutschen, schweizer und österreichischen Städten engagiert sich gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung und dagegen, dass das „Sterben vieler tausender Menschen von Politiker*innen in Europa billigend in Kauf genommen wird“.
Der Kampagne „Sichere Häfen“ der Seebrücke haben sich bislang 169 deutsche Städte angeschlossen und die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge angeboten. In Göttingen führte die Lokalgruppe der Seebrücke einen entsprechenden Beschluss des Rates der Stadt herbei.
Marburgs Oberbürgermeister Spies ist einer der ersten führenden Kommunalpolitiker*innen, der sich für die Ziele der Seebrücke und die Kampagne „Sichere Häfen“ engagierte. Unter anderem tat er das mit zwei offenen Briefen an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer, in denen er im September 2018 die Abschottungspolitik der EU gegenüber Geflüchteten kritisierte und die Aufnahme von mehr Geflüchteten in Marburg anbot.
Die öffentliche Verleihung fand am Samstag (11. September) im Deutschen Theater Göttingen statt. Sie wurde auch per Live-Stream übertragen.
DT-Intendant Erich Sidler begrüßte die Teilnehmerinnen, Teilnehmer und Gäste. Grußworte sprachen die Migrationsforscherin Prof. Dr. Sabine Hess von der Universität Göttingen, und der Göttinger Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler.
Die Laudatio hielt der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum. An die Preisverleihung durch den Jury-Vorsitzenden Andreas Zumach schlossen sich Beiträge der Preisträgerinnen und Preisträger an.
* pm: Stadt Marburg