Durch die fortschreitende Digitalisierung ist der Bedarf für eine Infrastruktur zur langfristigen Sicherung und Bereitstellung digitaler Forschungsdaten gestiegen.
Die Philipps-Universität hat aus diesem Grund mit Mitteln des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK) eine zentrale Stabsstelle für Forschungsdatenmanagement eingerichtet und am Montag (16. Januar) feierlich eröffnet. Wissenschaftler können sich an die Stelle wenden, wenn sie ihre Forschungsdaten langfristig sichern und den strukturierten Umgang mit den Daten im Forschungsalltag verbessern wollen.
„Forschungsdaten sind eine Ressource der Zukunft“, erklärte Vizepräsident Prof. Dr. Joachim Schachtner. „Unsere Aufgabe ist es, zusammen mit den Wissenschaftler den gut organisierten Zugang zu digitalen Daten am Forschungsstandort Marburg sicherzustellen.“
Weite Bereiche der gesellschaftlichen Kommunikation sind bereits durch Digitalität geprägt. Darunter versteht man auch veränderliche Texte und vernetztes Wissen.
„Unsere heutige Wissenschaft ist aber auf der Basis von Literalität entstanden, also durch geordnetes, hierarchisches Wissen und Texte, die nach ihrem Druck lange Bestand haben“, betonte Festredner Prof. Dr. Henning Lobin, der an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) im Bereich Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik forscht. Er forderte deshalb: „Wissenschaft und Forschung müssen einen kompetenten Umgang mit Digitalität entwickeln. Dazu braucht es den digitalen Wandel an der Hochschule.“
Unter Forschungsdaten sind digitale und elektronisch speicherbare Daten zu verstehen, die im Zuge eines wissenschaftlichen Projekts beispielsweise durch Quellenforschung, Experimente, Erhebungen oder Befragungen entstehen. Dazu gehören Bilder, Texte, Videos, Proben, Messergebnisse, Tabellen, Dokumentensammlungen, Tonbandmitschnitte und vieles mehr. Forschungsdatenmanagement befasst sich damit, Prozesse zu gestalten und Infrastrukturen zu schaffen, die es ermöglichen, wissenschaftliche Daten zu sichern, zu archivieren, zu veröffentlichen und auch für eine spätere Nutzung zugänglich zu machen, um beispielsweise neue Forschungsfragen zu entwickeln.
Die Arbeit der neuen Stabsstelle für Forschungsdatenmanagement stützt sich auf verschiedene Empfehlungen von Wissenschaftsorganisationen und auch auf eine Befragung der Marburger Wissenschaftler, die das Vorgängerprojekt „Kompetenzzentrum Forschungsdatenmanagement und -archivierung“ durchgeführt und kürzlich veröffentlicht hat. Alle Teilnehmenden gaben an, dass sie Beratung und Unterstützung bei technischen und rechtlichen Fragen und beim allgemeinen Umgang mit Forschungsdaten wünschen. Exemplarisch für die Wünsche der Wissenschaftler steht diese Aussage aus der Umfrage: „Für mich wäre ein Versionsmanagement der Daten von Bedeutung, da ich die Rohdaten öfter aufbereite und dann teilweise nicht mehr weiß, in welcher Version sie sich gerade befinden.“
Andere Wissenschaftler erwarten kurz gefasste, eindeutige Richtlinien für die Art der Archivierung oder weisen darauf hin, dass Forschungsdatenbanken den speziellen Anforderungen der Fächer und Arbeitsgruppen Rechnung tragen müssen. Vor dem Hintergrund der großen internationalen Konkurrenz gibt es teilweise Bedenken, Daten für fremde Arbeitsgruppen zugänglich zu machen. Auch der Schutz vor unbefugten Zugriffen ist ein zentrales Thema.
„Wir greifen diese Bedarfe produktiv auf und bearbeiten sie in der neuen Stabsstelle Forschungsdatenmanagement“, kündigte Vizepräsident Schachtner an. „Dazu gehören der Aufbau einer technischen Infrastruktur sowie die Beratung und Weiterbildung der Wissenschaftler beispielsweise für Datenmanagementpläne, die bereits bei der Antragstellung für Forschungsprojekte erstellt werden müssen.“
Zum Team der Stabsstelle Forschungsdatenmanagement an der Philipps-Universität gehören Ortrun Brand, Dr. Evamaria Krause und Stefan Schulte. Sie arbeiten eng mit der Universitätsbibliothek (UB) und dem Hochschulrechenzentrum (HRZ) zusammen.
Im Rahmen des Vorgängerprojekts gab es bereits einen intensiven Austausch mit verschiedenen Fachgebieten beispielsweise über Fragen zu Metadaten, Archiv- und Publikationsformaten. Diese Arbeit wird nun fortgesetzt und auf die hessischen Hochschulen erweitert.
Das Marburger Team für Forschungsdatenmanagement hat die Federführung für das Projekt „Hessische Forschungsdateninfrastrukturen“ übernommen und koordiniert die Zusammenarbeit der Forschungsdatenreferenten von zehn hessischen Hochschulen sowie der Verbundzentrale des Hessischen Bibliotheksinformationssystems (HeBIS). Vizepräsident Schachtner bringt zudem die Marburger Expertise in bundesweite Netzwerke ein. Als Mitglied der Ständigen Kommission „Digitale Infrastrukturen“ arbeitet er an der Entwicklung von Empfehlungen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu Forschungsdatenmanagement mit. * pm: Philipps-Universität Marburg