Die Wildkatzen kommen nach Marburg. Sie erobert sich ihren Lebensraum in Deutschland langsam zurück.
Die Wildkatze. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich bis in die Gebirgswälder rund um Marburg. Erste Hinweise auf die Rückkehr der Wildkatze hat die Untere Naturschutzbehörde (UNB) der Stadt vor vier Jahren von Jägerinnen und Jägern sowie Biologen erhalten. Die Menschen werden gebeten, Rücksicht auf die gefährdeten Tiere des Waldes zu nehmen.
Wer tote wildfarbene Katzen am Straßenrand rund um Marburg entdeckt, sollte sie melden. Ihre Gene werden für den Artenschutz analysiert.
„Dass die Wildkatze zurück in die Wälder Hessens kehrt, ist eine gute Nachricht“, sagte Bürgermeister Wieland Stötzel. Die Wildkatze habe recht hohe Ansprüche an ihren Lebensraum, die stellvertretend für die Ansprüche vieler waldgebundener Tierarten stehe. „Daher gilt die Wildkatze als eine sogenannte „Leittierart“.
Das bedeutet: Wo sich die Wildkatze wohlfühlt, da können auch andere bedrohte Tierarten wie Baummarder, Haselmaus oder Luchs wieder heimisch werden.“ Früher war die Europäische Wildkatze in ganz Deutschland und somit auch in Hessen weit verbreitet, berichtete Barbara Zimmermann von der UNB. Lebensraum der Europäischen Wildkatze sind naturnahe, störungsarme, strukturreiche Laub- und Mischwälder mit alten Baumhöhlen, viel Unterholz und Totholz, gestuften Waldrändern und kleinen Lichtungen für die Mäusejagd.
Durch Bejagung und andere Eingriffe in ihren Lebensraum war die Art bis Mitte des 20. Jahrhunderts fast ausgestorben. Wenige Exemplare lebten zersplittert. Doch seit etwa 20 Jahren eroberten die Wildkatzen ihren Lebensraum langsam zurück.
langsam zurück. „Inzwischen erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet in Hessen über den Taunus, Vogelsberg und Spessart, das Lahn-Dill-Bergland, das hessische Rothaargebirge und vom hessischen Bergland bis in den Reinhardswald“, weiß Zimmermann.
Mit der „Lockstock-Methode“ hat die Stadt Marburg deshalb 2019 die Verbreitung der Wildkatze im Stadtgebiet erfasst, ohne die Tiere dabei in ihrem natürlichen Verhalten zu beeinflussen. Dafür wurden von Februar bis April 2019 angeraute Holzpflöcke an geeigneten Standorten im Wald aufgestellt und mit Baldrian besprüht.
Dieser Duft wirkt auf die Wildkatzen insbesondere während der Paarungszeit von Januar bis April unwiderstehlich. Die Wildkatzen reiben sich an diesen Stöcken und hinterlassen somit Haarproben, die eingesammelt sowie genetisch untersucht werden.
Die Methode ist recht aufwändig. Die Stadt Marburg war deshalb auf Unterstützung angewiesen. Sie kam von Jägerinnen und Jägern, Förster*innen, Revierpächter*innen sowie von vielen Freiwilligen aus Naturschutzverbänden.
„Gerade die Jägerinnen und Jäger konnten am ehesten über Sichtungen von Wildkatzen berichten und wussten, wo eine Aufstellung von Lockstöcken am vielversprechendsten war“, erläuterte Zimmermann. So wurden im Stadtgebiet 38 Lockstöcke aufgestellt. Sie wurden von Februar bis April wöchentlich kontrolliert.
„Wir stehen außerdem in engem Austausch mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)“, berichtete Zimmermann. So schulte die Wildkatzenexpertin Susanne Seip vom BUND Hessen alle freiwilligen Betreuerinnen und Betreuer von Lockstöcken und stellte teilweise die dafür notwendigen Materialien zur Verfügung. „Für die Unterstützung zum Schutz der bedrohten Tiere in Marburg und Umgebung danken wir als Stadt allen Helferinnen und Helfern ausdrücklich“, betonte Umweltdezernent Stötzel.
Nach EU-Recht gilt die Europäische Wildkatze als „streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse“. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz gehört sie zu den „besonders geschützten Arten“ und ist in der „Roten Liste“ Deutschlands ebenfalls als „gefährdet“ eingestuft.
Das bedeutet, dass Wildkatzen weder gefangen, noch getötet werden dürfen. Zudem ist es verboten, sie absichtlich zu stören sowie Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Wildkatze zu beschädigen oder gar zu vernichten. Außerdem dürfen sich Privatpersonen keine toten Tiere oder auch nur Teile von ihnen aneignen.
Denn trotz aller Schutzmaßnahmen kommen die seltenen Tiere zu Tode: Die häufigste Todesursache für Wildkatzen ist heutzutage der Verkehr. So wurden laut UNB mehrere tote Wildkatzen rund um das Naturschutz- und FFH-Gebiet „Kleine Lummersbach“ zwischen Elnhausen und Dilschhausen, auf der Straße zwischen Marbach und dem Kreisel im Bereich des Pharmastandort Görzhausen-Michelbach sowie an Kreisstraßen wie der Cyriaxstraße, der Hermershäuser Straße und der Graf-von-Stauffenberg-Straße gefunden.
Insgesamt waren es zwölf überfahrene Tiere. Im Durchschnitt ist das eines pro Jahr.
„Das sind nur die bekannten Fälle“, erklärte Zimmermann. „Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.“ Die Untere Naturschutzbehördeappelliert zum Schutz der Tiere, außerhalb der Ortschaften insbesondere in der Dämmerung und nachts die Fahrgeschwindigkeit auf 70 Stundenkilometer zu reduzieren.
Neben dem Verkehrstot droht Wildkatzen vermehrt die Gefahr von Infektionskrankheiten, weil menschliche Lebensräume immer näher an ihre Lebensräume heranrücken. So kommen sie zunehmend in Kontakt mit Hauskatzen und infizieren sich mit deren Krankheiten. Auch Kreuzungen mit Hauskatzen gefährden die Wildpopulation.
Die Stadt Marburg bittet darum, Todfunde von Wildkatzen zu melden. Das Fellmuster von Wildkatzen – insbesondere bei den erwachsenen Katzen – wirkt grau-gelb bis -braun verwaschen, wenig kontrastreich und stumpf.
Wichtigstes Erkennungsmerkmal der Wildkatze ist vor allem ihr breiter, buschiger Schwanz mit zwei bis drei schwarzen Ringen und einem schwarzen stumpfen Ende. Die Schwanz-Enden von Hauskatzen sind dagegen meist spitz zulaufend.
Den Totfunden wird dann von dazu berechtigten Behördenmitarbeiterinnen oder -mitarbeitern Genmaterial entnommen. Erst mittels Gen-Analyse kann dann gesichert festgestellt werden, ob es sich tatsächlich um eine Wildkatze oder eine Hauskatze handelte.
Diese Informationen helfen, Verbreitungsgebiet und Bestand der Wildkatzen sowie Gefahrenquellen und Unfallschwerpunkte zu erfassen und gegebenenfalls Maßnahmen zu entwickeln.
Zum Schutz der Wildkatzen können alle beitragen. Die Stadt Marburg bittet die Bürgerinnen und Bürger, Hunde beim Spazieren im Wald anzuleinen, Hauskatzen in der Kernstadt – insbesondere aber in den Dörfern und Siedlungsrandlagen – regelmäßig zu impfen und zu entwurmen, damit keine Krankheiten auf Wildkatzen übertragen werden, außerhalb geschlossener Ortschaften in der Dämmerung sowie bei Nacht mit dem Auto nicht schneller als 70 Stundenkilometer zu fahren, damit die Tiere ausweichen können sowie Todfunde von Wildkatzen an die Untere Naturschutzbehörde zu melden.
Der BUND setzt sich mit seinem Projekt „Rettungsnetz Wildkatze“ ebenfalls für den Schutz der bedrohten Tierart ein. Bundesweit untersuchen Naturschützer*innen die Entwicklung der Bestände, untersuchen Gefahrenquellen und machen die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam. Eine Übersicht über das Verbreitungsgebiet der Wildkatze in Deutschland gibt es auf www.wildkatzenwegeplan.de.
Mehr Informationen zur Europäischen Wildkatze findet sich unter www.bund.net/wildkatze.
* pm: Stadt Marburg