Mischen statt mähen: Licht im Wald fördert Biodiversität

Wo wegen der Landnutzung die pflanzliche Vielfalt abnimmt, leben weniger Insekten. Dort nimmt auch die Biodiversität ab
Wo die pflanzliche Vielfalt zurückgeht, nimmt die Diversität der Insekten und damit die Biodiversität als Ganzes ab. So fehlen auf intensiv genutzten Wiesen und Weiden sowie in dunklen Buchenwäldern Insekten, die sich auf Pflanzenarten spezialisiert haben, die dort nicht mehr vorkommen. Das zeigt eine von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in der Schweiz koordinierte internationale Studie.
An ihr waren auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Philipps-Universität beteiligt. Gefördert wurde die Studie vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) im Rahmen des „Schwerpunktprogramms Biodiversitäts-Exploratorien“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
„Die Intensivierung der Landnutzung stellt eine große Bedrohung für die biologische Vielfalt dar, unter anderem für pflanzenfressende Insekten und ihre Wirtspflanzen“, berichtete Prof. Dr. Till Kleinebecker vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der JLU. „Sind Käfer, Heuschrecken, Blattwanzen oder Zikaden nur auf eine oder sehr wenige Pflanzenarten spezialisiert, müssen sie abwandern oder sie sterben lokal aus, wenn ihre Wirtspflanzen verschwinden.“
Ist die vorhandene Nahrungspalette einer Insektenart hingegen artenreich, kann sie trotzdem überleben, auch wenn die Pflanzenarten abnehmen. Das Zusammenspiel von Arten unterschiedlicher Organismengruppen ist entscheidend für die Stabilität eines Ökosystems. Die Forscherinnen und Forscher aus Deutschland und der Schweiz untersuchten in den drei bis zu bis zu 1.300 Quadratkilometer großen Naturräumen Schwäbische Alb in Baden-Württemberg, Hainich in Thüringen und Schorfheide in Brandenburg die Vielfalt der Pflanzen und Insekten sowie deren Wechselwirkungen.
Mit ihrer Studie auf intensiv bis wenig bewirtschafteten Wiesen und Weiden sowie in unterschiedlich bewirtschafteten Buchen- und Nadelwäldern wollten sie mehr über das Zusammenspiel zwischen Pflanzen- und Insektenarten herausfinden, die lokale Netzwerke bilden. In den Gebieten mit einer Mischung aus naturnahen, aber auch stark von Menschen genutzten Ökosystemen gingen die Forscherinnen und Forscher davon aus, sehr unterschiedliche Insektengemeinschaften vorzufinden.
„Da in diesen zum Teil auch Insektenarten vorkommen, die auf wenige Futterpflanzen spezialisiert sind, versprachen wir uns neue Einblicke in die Konsequenzen, die eine intensive Nutzung für die ökologische Stabilität von Grünland und Wäldern hat“, erläuterte WSL-Insektenforscher Martin Gossner als Leiter der Studie. In ihr zeigte sich, dass Pflanzen-Insekten-Netzwerke in wenig beweidetem Grünland aus mindestens 70 Pflanzenarten und 80 pflanzenfressenden Käfer-, Heuschrecken-, Blattwanzen- und Zikadenarten bestehen. So bietet beispielsweise die Wilde Möhre, eine typische Pflanze mäßig bewirtschafteter Weiden, zahlreichen spezialisierten Käferarten Nahrung.
Auf häufig gemähten oder gedüngten Wiesen und Weiden konnten im Mittel weniger als 40 Pflanzenarten und weniger als 60 Insektenarten nachgewiesen werden. In seit Kurzem unbewirtschafteten Wäldern mit dichtem Baumbewuchs ist die Biodiversität mit durchschnittlich 25 Pflanzenarten und 30 Insektenarten deutlich geringer als in lichten Wäldern.
Jenen Insekten, die nur wenige Baum- oder Krautarten als Nahrung nutzen können, fehlt dort die Lebensgrundlage. Hingegen dringt in Wäldern mit zahlreichen Lücken im Kronendach viel Licht auf den Boden, so dass dort bis zu 80 Pflanzenarten und bis zu 50 pflanzenfressende Insektenarten der untersuchten Gruppen vorkommen.
„Licht fördert die Vielfalt an Pflanzen, die wiederum mehr Insektenarten als Nahrungsgrundlage dienen“, erklärte WSL-Forscher Felix Neff. „Gleichzeitig sind die Insektenarten weniger gefährdet, lokal auszusterben. Das System ist also stabiler.“
Er ist der Erstautor der nun in der renommierten Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienenen Publikation. Ein Beispiel für die stabilisierende Wirkung lichtdurchfluteter Wälder ist etwa die Brennnessel, die in ihnen bevorzugt vorkommt und Nahrungsquelle für viele spezialisierte Schmetterlingsraupen, Rüsselkäfer, Blattzikaden und -wanzen ist.
Werden lichtere Wälder gefördert, erhöht sich einerseits die Vielfalt an Bodenpflanzen, Sträuchern und Bäumen. Zum anderen profitieren von dieser Pflanzenvielfalt auch die Insektenarten. Ebenfalls förderlich sind gemischte Bestände aus verschiedenen Laub- und Nadelbäumen, die sich zudem als stabiler gegenüber dem fortschreitenden Klimawandel erweisen dürften.
Nimmt die pflanzliche Vielfalt hingegen ab, geht auch die Diversität der erfassten Insekten und damit die gesamte Biodiversität zurück und die Ökosysteme verarmen. Für Grünland empfehlen die Forscherinnen und Forscher eine moderate Beweidung anstelle des intensiven Mähens, um vielfältige und stabile Insektengemeinschaften zu fördern.
„Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf weite Teile Hessens oder Mitteleuropas insgesamt übertragen“, betonte Kleinebecker.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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