Bisher übersehen: Forscher fanden Funktion von Protein

Ein übersehenes Protein wirkt im Hintergrund embryonaler Stammzellen. Eine internationale Forschungsgruppe beleuchtet erstmals, wie „SAMD1“ zur Genregulation beiträgt.
Das bislang übersehene Protein ist daran beteiligt, Gene zu hemmen, die zur Reifung von embryonalen Stammzellen beitragen. Das hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung Marburger Lebenswissenschaftler herausgefunden, nachdem es das Protein „SAMD1“ in Datenbanken aufgespürt hatte. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen berichten in der Wissenschaftszeitschrift „Science Advances“ über ihre Ergebnisse.
Das Vererbungsmolekül „DNA“ als Trägerin der Erbinformation eines Organismus besteht aus vier Bausteinen. Abgekürzt werden Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin mit den Buchstaben „A“, „C“, „G“ und „T“. Die Kombination dieser vier Moleküle reicht aus, um die Baupläne sämtlicher Proteine jedes lebenden Organismus weiterzugeben.
„Die DNA dient aber auch dazu, die Produktion der Proteine genau zu regulieren“, erklärte Leitautor Dr. Robert Liefke vom Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung der Philipps-Universität. Häufen sich an einer Stelle der DNA die Bausteine C und G, so spricht die Fachwelt von einer CG-Insel.
„Diese Abschnitte bilden Schlüsselstellen für die Steuerung von Genen“, legte der Biochemiker dar. „Aber wie sie dazu beitragen, Gene an- oder abzuschalten, war bislang wenig fassbar.“
Liefke und sein Team forschten systematisch nach Proteinen, die an CG-Inseln andocken; Dafür durchsuchten sie insbesondere Datenbanken und einschlägige Veröffentlichungen.
„In den vergangenen Jahren ist die Menge an verfügbarer Literatur, an Daten und computergestützten Werkzeugen exponentiell gestiegen“, berichtete Liefkes Mitarbeiter Dr. Bastian Stielow. Er ist ein weiterer Leitautor der Fachpublikation.
Die Forschungsgruppe nutzte die öffentlich verfügbaren Informationen und stieß dabei auf das Protein „SAMD1“. Gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen fand das Team heraus, dass „SAMD1“ an CG-Inseln andockt, die in einer bestimmten chemischen Form vorliegen. Erstaunlicherweise war das Protein bislang kaum erforscht.
Wie die weiteren Untersuchungen ergaben, wirkt „SAMD1“ mit anderen Proteinen zusammen, um die Verpackung der DNA an denjenigen Stellen chemisch zu verändern, an denen sich CG-Inseln befinden. Die Verpackung trägt zur korrekten Umsetzung der Gene in Proteine bei.
„Unsere Ergebnisse etablieren SAMD1 als einen neuen Faktor, der die Verpackung der DNA dort steuert, wo sich CG-Inseln befinden“, fasste Liefke die Ergebnisse der Arbeit zusammen. Welche Bedeutung dem Protein „SAMD1“ zukommt, zeigt sich an embryonalen Stammzellen. Fehlt SAMD1, so kommt es zu Fehlern bei der Reifung der Stammzellen, fand das Team in Zellkulturexperimenten heraus.
Warum aber stieß die Wissenschaft nicht schon früher auf „SAMD1“? Warum gerät das Molekül erst jetzt in den Fokus der Forschung? Liefke und Stielow stellten fest, dass sowohl Datenbanken als auch die wissenschaftliche Literatur falsche oder unvollständige Informationen über das Protein enthalten.
So scheint es bisweilen zu einer Verwechslung mit einem anderen Protein gekommen zu sein: Dieses Protein ist wissenschaftlich sehr gut untersucht und trägt die ganz ähnliche Kurzbezeichnung „SMAD1“. „Es lohnt sich, Suchmaschinen und rechnerbasierte Werkzeuge zu nutzen, um die verfügbare Literatur und Datenbanken kritisch zu durchforsten und bislang übersehene Moleküle zu entdecken“, resümierte Liefke.
Die Lebenswissenschaften gehören zu den Forschungsschwerpunkten der Philipps-Universität. Der Biochemiker Liefke leitet eine Nachwuchsgruppe am Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung der Philipps-Universität.
Neben seinem Team sowie weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Philipps-Universität beteiligten sich Forscherinnen und Forscher aus Köln, Boston in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Peking in China an der Veröffentlichung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Fritz-Thyssen-Stiftung, die American Cancer Society sowie die Nationale Stiftung Chinas für Naturwissenschaften unterstützten beteiligte Forscherinnen und Forscher finanziell.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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