Schwer vergeigt: Organisation der Impfkampagne ist nicht altersgerecht

Auch in Hessen hat die Corona-Impfkampagne begonnen. Doch deren Organisation ist nicht gerade gelungen.
Angekündigt war der Start der Impfkampagne im Marburger Impfzentrum auf dem messeplatz Afföller ursprünglich für Mitte Dezember. dann begann die Impfung von Menschen in Pflegeheimen am Sonntag (27. Dezember). Nun aber wurde der weitere Betrieb des Impfzentrums in Marburg erst einmal auf Eis gelegt; und alle Marburgerinnen und Marburger sollen sich in Heuchelheim impfen lassen.
Anmelden sollen sich die über 80-jährigen Menschen entweder online oder über die Telefonnummer 116 117. Doch die Online-Plattform zur Vergabe von Corona-Impfterminen unter www.impfterminservice.de ist nicht #barrierefrei. Eigenen Angaben zufolge soll sie es erst mitte 2021 werden, wenn die Impfkampagne nach Ankündigung von Gesundheitsminister Jens Spahn bereits weitgehend abgeschlossen sein soll.
Auch die Hotline 116 117 ist sehr schwer erreichbar. Kommt ein Betroffener nach stundenlangen Versuchen schließlich irgendwann durch, stößt er im nächsten Schritt auf ein Auswahlmenü, bei dem er bestimmte Tasten seines Telefons drücken muss. Für viele Hochbetagte ist das nicht einfach, zumal einige von ihnen auch an einer altersbedingten Hörbeeinträchtigung leiden.
400.000 Menschen im Alter von mehr als 80 Jahren wurden in Hessen zu Wochenbeginn angeschrieben. Sie sollen sich nun selber um einen Impftermin kümmern. Doch weder die Onlineplattform im Internet noch die angegebene Telefonnummer sind barrierefrei und altersgerecht auf die Seniorinnen und Senioren ausgerichtet.
Alfred G. ist 89 Jahre alt. Am Dienstag (12. Januar) hat der Marburger sein Einladungsschreiben erhalten. Einen Impftermin hat er jedoch trotz größter Anstrengungen bisher noch nicht.
Der Rentner hat seinen 67-jährigen Sohn angerufen und gebeten, den Impftermin für ihn auszumachen. Insgesamt vier Stunden lang hat Michael G. es am Mittwwoch (13. Januar) immer wieder bei der Hotline probiert. Entweder kam er gar nicht durch; oder er flog bei der Tonwahl aus der Leitung.
Einen Internetanschluss hat die Wohnung des hochbetagten Rentners nicht. Über seinen eigenen Internetanschluss konnte sein Sohn keinen Termin ausmachen, weil er mit der Website nicht zurechtkam. Zudem wollte er alle Absprachen in Anwesenheit seines Vaters treffen.
Schließlich zeigte der Vater ihm ein Schreiben des Regierungspräsidiums Kassel. Darin wurde dem Hochbetagten das Angbot unterbreitet, ihn daheim in seiner Wohnung zu impfen. Allerdings muss er dann länger auf eine Impfung warten.
Dem Marburger ist diese Variante jedoch sympathischer als ein Impftermin im mittelhessischen Impfzentrum in Heuchelheim. Angesichts der Inzidenz von mehr als 270 in Gießen fühlt er sich mit dieser Variante sicherer.
„Mein Vater stand einer Impfung von vornherein skeptisch gegenüber“, berichtet der Sohn. „Es hat mich viel Zeit gekostet, ihn von der Notwendigkeit einer Impfung zu überzeugen. Die seniorenfeindliche Ausgestaltung der Impfkampagne trägt nun nicht gerade dazu bei, diese Vorbehalte auszuräumen.“
Sicherlich ist eine Impfkampagne wie die jetzige eine organisatorische Herausforderung. Klar ist, dass dabei nicht immer alles rundläuft. Doch die unsensible Herangehensweise der Verantwortlichen in Bezug auf Barrierefreiheit und eine altersgemäße Durchführung ist schon sehr befremdlich.

* Franz-Josef Hanke

2 Kommentare zu “Schwer vergeigt: Organisation der Impfkampagne ist nicht altersgerecht

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