Beratung, Vorträge, Kurse und ein Lotsen-Projekt am Richtsberg bieten künftig Hilfe bei Gesundheitsthemen direkt aus der Nachbarschaft. Das neue Projekt ist eine Initiative von Betroffenen.
Wen kann man fragen, wenn man den Brief aus der Klinik nicht versteht? Wo gibt’s einfache Unterstützung, wenn man gesünder essen will? Am Richtsberg gibt’s dafür nun niedrigschwellige Hilfe aus der Nachbarschaft mit dem „Gesundheitsinformationsangebot am Richtsberg“ (GIR).
Kurse, Unterstützung und Beratung bieten der islamische Kulturverein Hadara, die Stadt Marburg und ehrenamtlichen Gesundheitslotsen.
„Zwei Jahre Planung stecken hinter dem Projekt Gesundheitsinformationsangebot am Richtsberg“, erläuterte Dr. Raghdan Baroudi vom Verein Hadara. Bisher haben schon mehrere Vorträge zu Themen wie Herzinfarkt und Brustkrebs stattgefunden. Auch die kostenlosen Beratungen laufen bereits eine Weile.
Bald sollen auch die – inzwischen zehn – ausgebildeten Gesundheitslots*innen zum Einsatz kommen, um Menschen zum Beispiel bei der Umstellung ihrer Ernährung zu unterstützen oder beim Besuch medizinischer Einrichtungen zu begleiten. Ziel ist es, Wissen über Gesundheit und Krankheiten zu vermitteln, Menschen eine Beratung anzubieten und sie dabei zu unterstützen, gesund zu werden oder gesund zu bleiben.
„Menschen, die weniger Geld zum Leben zur Verfügung haben, sterben nachweislich deutlich früher“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Vorstellung des Projekts. Das habe nicht nur mit der finanziellen Situation an sich zu tun, sondern viel mehr auch mit der Tatsache, dass diese Menschen oft bildungsbenachteiligt sind. Sich über Gesundheit, eine gesunde Lebensweise, Risikofaktoren und Erkrankungen zu informieren.
Das müsse möglichst niedrigschwellig angeboten werden. „Wie erfolgreich Angebote im persönlichen und vertrauten Umfeld von Menschen sein können, beobachten wir gerade hier sehr erfolgreich am Richtsberg“, erläuterte Spies.
Andrea Fritzsch vom Fachdienst Migration und Flüchtlingshilfe der Stadt Marburg hob hervor, dass das Projekt eine Initiative aus der Zivilgesellschaft ist. „Aus ehrenamtlichem Engagement heraus wurde hier gesagt: Wir wollen etwas auf die Beine stellen“, berichtete Fritzsch.
„Über die Angebote soll möglichst vielen Menschen die Möglichkeit gegeben werden, Informationen und Beratung zu erhalten“, erklärte Susanne Hofmann. Die Leiterin des Fachdiensts „Gesunde Stadt“ freut sich besonders über die Lotsinnen und Lotsen, die ganz gezielt Unterstützung geben sollen.
Anja Kerstin Lercher und Bajan Masri sind zwei der Freiwilligen, die sich weitergebildet haben“, um künftig für andere Menschen da zu sein. „Es gibt viele Menschen, die Angst vor Arztbesuchen oder auch vor Erkrankungen haben“, erläuterte Masri ihre Motivation, sich an dem Projekt zu beteiligen. „Wir können ganz gezielt auf deren Belange eingehen.“
Um Menschen bei einem möglichst gesunden Leben zu unterstützen, bietet das Gesundheitsinformationsangebot am Richtsberg auch Kurse zu Bewegung und gesunder Ernährung an. Außerdem kann die Beratung – jeden Mittwoch von 18 bis 20 Uhr und jeden Samstag von 14 bis 15 Uhr – von allen Interessierten kostenlos genutzt werden.
„Wichtig ist, zu wissen, dass wir keine Diagnostik durchführen können“, betonten Dr. Raghdan Baroudi und Projektkoordinatorin Yasemin Sasmaz. Die Zeiten der Beratung sind bewusst so gelegt, dass sie außerhalb der Sprechzeiten der niedergelassenen Ärzte liegen.
Allerdings ist das Angebot keine „Konkurrenz“ zur ärztlichen Versorgung. Es geht um Fragen rund um das Thema Gesundheit allgemein, zu speziellen Erkrankungen oder auch ganz persönlichen Anliegen.
Beispielsweise sei eine ältere Dame, die im Altenheim lebt, mit einem Brief aus dem Klinikum zu ihm gekommen, dessen Inhalt sie nicht verstanden habe, erzählt Baroudi. Schließlich habe die Dame am Ende des Gesprächs gar nicht glauben können, dass sie nichts für die 40 Minuten bezahlen musste, die er sich für ihr Anliegen genommen hat.
Für Ortsvorsteherin Erika Lotz-Halilovic zeigen Begegnungen wie diese, dass das Projekt „ein gelungenes Beispiel für Integration“ darstellt und auch dafür, welche Ressourcen die Menschen am Richtsberg mitbringen und einbringen. Sie lobte, dass Ärzt*innen und andere Angehörige des Gesundheitswesens für das Projekt ehrenamtlich ihre Zeit opfern. Neben Ärzt*innen stehen zum Beispiel auch Physiotherapeut*innen und Apotheker*innen für die Beratung zur Verfügung.
Das Projekt wird vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration sowie der Universitätsstadt Marburg gefördert. Weitere Informationen gibt es bei Projektkoordinatorin Yasemin Sasmaz unter der Telefonnummer 06421/8 84 12 90 und per E-Mail an info@hadara-marburg.com oder bei Susanne Hofmann von der Fachdienstleitung „Gesunde Stadt“ unter 06421/201-1475 und per Mail an susanne.hofmann@marburg-stadt.de.
* pm: Stadt Marburg