Mit einem Sofortprogramm über 3,7 Millionen Euro will die Stadt das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben in Marburg in der Corona-Krise stabilisieren. Das finanzielle Schwergewicht im 14-Punkte-Plan ist der Stadt-Geld-Gutschein.
Mit ihm sollen Marburgs Gewerbetreibende binnen sechs Wochen mehrere Millionen Euro Umsatz machen. Dazu kommen Mieterschutz, vergünstigte Park-
und Bustickets, Kampagnen zum lokalen Einkauf, die Förderung von Schülern, Senioren, Handwerk und Bauwirtschaft, der Erlass städtischer Gebühren, die Stundung von Steuern und mehr. Am Freitag (29. Mai) liegt das Programm den Stadtverordneten zur Abstimmung vor.
„Wir sind mitten in einer Krise von noch nie dagewesener Dimension“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Das verlangt hier in Marburg mutige Lösungen von ebenso außerordentlicher Dimension, um unsere lebendige Stadt zu erhalten. Wie wichtig dafür der kleine Einzelhandel, Gastronomie und Kultur sind, haben wir während des Lockdown schmerzlich gespürt. Zugleich gilt in Marburg, dem sozialen Herz Deutschlands: Wir kümmern uns um fairen Ausgleich und um die, die besonders belastet sind.“
Am Donnerstag (23. April) hatte der Magistrat angekündigt, ein eigenes städtisches Hilfsprogramm für Marburg aufzulegen. Die Vorlage „“Marburg Miteinander – Gemeinsam sicher durch die Krise“ ist in den vergangenen Wochen erarbeitet und am Montag (25. Mai) im Magistrat angenommen worden. Sie schafft die Voraussetzung, mit der der Magistrat finanziell handlungsfähig ist.
„Jetzt ist es an der Stadtverordnetenversammlung, das zusätzliche Geld freizugeben, damit wir loslegen können“, erklärte der Oberbürgermeister. „Ich hoffe, dass wir den starken Zusammenhalt der letzten Wochen beibehalten und eine große Mehrheit im Parlament zustimmt.“
Die Mittel für das Hilfsprogramm seien da. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und Geld – zum Beispiel Gewerbesteuernachzahlungen des Pharma-Standorts – beiseitegelegt statt ausgegeben. „Das gibt uns nun in dieser Pandemie-Situation vor Ort in Marburg die Luft und den Handlungsspielraum, um so agieren zu können die Krise in unserer Stadt gemeinsam zu überstehen“.“
Das „Marburg-Miteinander“-Krisen-Programm soll kurzfristig und mit Wucht starten: Ganze 1,9 Millionen Euro und damit mehr als die Hälfte des gesamten Pakets entfällt auf den Stadt-Geld-Gutschein. Das ist ein neues und einmaliges Gutschein-System zur Stärkung des örtlichen Gewerbes.
Alle erwachsenen Marburgerinnen und Marburger erhalten einen Gutschein über 20 Euro, alle Kinder und Jugendlichen einen über 50 Euro. Die Stadt gibt so rund 76.000 Gutscheine aus. Gültig sind sie für sechs Wochen.
Damit kann in Läden, Gastronomie, Kultureinrichtungen sowie bei Dienstleistern eingekauft werden, die wegen der Pandemie monatelang geschlossen waren. „Das bringt schnell und unmittelbar Liquidität direkt mit einem kräftigen Schub zu all den Gewerbetreibenden, die ihre Geschäfte nun wieder betreiben dürfen“, erklärte der Oberbürgermeister die Idee der „Hilfe zur Selbsthilfe“ des Stadt-Geld-Gutscheins. „Außerdem unterstützen wir damit im besonderen Maße die Marburger Familien.“
Sowohl kurz- als auch langfristig wirkt das Programm „Sicher Wohnen“ im Maßnahmenpaket. Es besteht aus einem Mietendeckel für GeWoBau-Wohnungen, der Zusicherung, dass bei Corona-bedingten Zahlungsausfall Wasser und Strom trotzdem fließen. Zudem enthält das Programm kurzfristige zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für von Gewalt bedrohte Frauen und Kinder, für Obdachlose, für Geflüchtete.
Ebenfalls enthalten ist ein Marburger Notfallfonds zum Mieterschutz, der greift, wenn Corona-bedingte Mietschulden nicht getilgt werden können. Das Volumen umfasst zirka 210.000 Euro.
-Insgesamt 120.000 Euro sind vorgesehen, um ab Anfang Juni Parkscheine im Parkhaus Oberstadt und Bustickets (Einzelfahrscheine) für die Kundschaft der Marburger Gewerbetreibenden zu bezuschussen. Dazu kommt eine kurzfristige Werbe- und Anzeigenkampagne „Komm nach Marburg“ in der Region für 15.000 Euro.
Der erfolgreich gestartet iPad-Verleih für Schülerinnen und Schüler soll erweitert und mehr Geräte angeschafft werden. Nachhilfegutscheine für alle Stadtpass-Kinder sind ebenso veranschlagt wie kostenfreie Internet-Zugänge für Schüler bei Bedarf. Der Kostenansatz für „Bildungschancengleichheit“ im Gesamtpaket liegt bei 150.000 Euro.
Ebenfalls kurzfristig soll der Programmpunkt „Sicher in die Stadt“ für ältere Mitbürger*innen greifen, die sich in der Corona-Krise als Risikogruppe nicht den ÖPNV nutzen wollen oder können. 50.000 Euro sollen für Taxi-Gutscheine zu Verfügung stehen, verteilt über die niedergelassenen Ärzte, zu nutzen für Fahrten zum Arzt, zur Physiotherapie oder einfach zum Einkaufen.
Parallel baut die Stadt ihren digitalen Service weiter aus. Außerdem entwickelt sie neue, digitale Beteiligungsformen und gute barrierefreie Online-Verfahren, damit Veranstaltungen und Diskussionsrunden nicht ausfallen, damit die notwendige Beteiligung und Mitwirkung an Vorhaben der Stadt weiterhin möglich sind. Das Volumen für zusätzliche technische Ausstattung beträgt insgesamt 150.000 Euro.
„Wenn manche Menschen Sorge um die Demokratie haben, dann zeigen wir in Marburg: Bürgerbeteiligung geht auch in der Krise“, erläuterte Spies.
Nicht nur gestundet, sondern bis Ende 2020 komplett erlassen werden sollen den Marburger Gewerbetreibenden die Gebühren für die Nutzung von öffentlichen Flächen für Außenbestuhlung und dergleichen. Die Stadt rechnet mit entgangenen Einnahmen von 55.000 Euro.
Ein Notlagenfonds für Soloselbstständige in Höhe von 200.000 Euro soll existentiell bedrohte Menschen in den Bereichen Kunst, Kreative und Bildung unterstützen, die nicht von den umfangreichen Hilfsprogrammen von Bund und Land erreicht werden. Zusätzlich werden die Förderrichtlinien des bereits verabschiedeten Hilfspakets für Kunstschaffende und Kulturbetriebe überarbeitet und an den Bedarf angepasst.
Das Herzstück von „Marburg Miteinander“ in den Sommermonaten inklusive Ferienzeit ist der „Sommer in der Stadt“ – ein dezentrales und der Corona-Krise angepasstes Kultur- und Veranstaltungsprogramm für alle Marburgerinnen und Marburger, vor allem für Familien, die wegen Corona zu Haus bleiben, und zur Unterstützung von Kulturschaffenden, Kreativwirtschaft, Schaustellergewerbe, Handel und Gastronomie. Die Mitwirkung von Vereinen, sozialen Trägern und anderen ist ausdrücklich erwünscht, Sponsoren sollen sich finanziell beteiligen. Hauptveranstalter sollen die Organisatoren des Stadtfestes sein. Ansatz: 150.000 Euro.
-Nach dem Sommer soll der Anschub der Stadt-Geld-Millionen sowie der weiteren kurzfristigen Hilfen für die Marburger Gewerbetreibenden verstärkt und verstetigt werden – unter anderem mit einer Kampagne „Lokal – regional –
nachhaltig“ zur Förderung des regionalen Konsums und stationären Handels. Der erste Baustein soll bereits nach der Sommerpause wirken, eine Erweiterung zum Weihnachtsgeschäft ist möglich.
Der Baustein „Förderprogramm lokales Handwerk und Bauwirtschaft“ im Marburger Hilfspaket bezuschusst die nachhaltige energetische Sanierung und den Erhalt denkmalgeschützter Bauten. Mit zusätzlichen 300.000 Euro will die Stadt zusätzliche Investitionen anschieben und so Arbeitsplatzverlusten in der Baubranche vorbeugen. Wirkung erzielen kann das auch noch in einer Phase vier ab 2021 und bei Bedarf darüber hinaus.
Die ganze Reihe von Sofortmaßnahmen, direkten Hilfen und neuen Angeboten, die seit Beginn der Corona-Krise aufgelegt wurden, hat die Stadt aus dem laufenden Haushalt finanziert, zum Teil gemeinsam mit Kooperationspartnern auf die Beine gestellt oder finanziell unterstützt. Dazu gehören das Netzwerk Corona-Nachbarschaftshilfe, die „Beratung am Abend“ und „Marburgs offenes Ohr“, die „Bildungshäppchen“ der vhs und den neuen Medienbestellservice für Schwerbehinderte der Stadtbücherei, die MarburgLiebe sowie die Stundung städtischer Mieten für Gastronomie und Handel, die Kinder- und Jugendpost, die Zusammenstellung von Lernwebseiten für Schüler*innen oder der Verzicht auf ein Sperrkonto für ausländische Studierende.
Alle Hilfs- und Unterstützungsangebote sind nur so gut, wie sie auch bekannt und genutzt werden. Deshalb ist die proaktive und an den jeweiligen Zielgruppen ausgerichtete Information ein weiterer Baustein des Hilfsprogramms „Marburg Miteinander – Gemeinsam sicher durch die Krise“.
„Wir müssen jetzt kraftvoll loslegen, fahren aber in dieser Krise auf Sicht“, erklärte Oberbürgermeister Spies. Niemand könne heute voraussehen, wie sich die Situation bis Ende des Jahres und darüber hinaus entwickle. „Deshalb müssen wir flexibel bleiben und das Programm der Entwicklung anpassen, um die Krise gemeinsam nachhaltig zu überstehen.“
Die komplette Vorlage für die Stadtverordnetensitzung mit Anhang zum Sofortprogramm „Marburg Miteinander“ finden Interessierte unter www.marburg.de/portal/meldungen/stadt-legt-hilfsprogramm-fuer-3-7-mio-euro-auf-900006604-23001.html?rubrik=900000004.
* pm: Stadt Marburg
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