Votum: Spies stellte neue Radverkehrsplanung vor

„Die jetzt vorgelegte Radverkehrsplanung kann sich sehen lassen nicht nur wegen ihres Umfangs von fast 400 Seiten, sondern auch in qualitativer Hinsicht.“ Das hat Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies am Montag (24. April) bei der Vorstellung im Rathaus betont.
Die nun fertiggestellte dritte Fortschreibung des Marburger Radverkehrsplans ist in einem umfassenden Beteiligungsprozess entstanden. „Wir werden die Radwege verbessern und Konfliktpotenziale abbauen“, versprach Spies. Gerade in der engen topographischen Lage von Marburg zwischen zwei Bergen gehe das in der Verkehrspolitik nur mit einem Miteinander.
„Es war uns allen bewusst, dass die Fortschreibung der Radverkehrsplanung Marburg eine anspruchsvolle Aufgabe werden würde“, erklärte Spies. „Zum Erfolg beigetragen hat unbedingt auch der umfassende Beteiligungsprozess, der die Planerstellung begleitete.“ Dazu gehörten ein öffentliches Stadtforum, eine – mehrere Wochen verfügbare – Beteiligungsplattform für Vorschläge von Bürgern auf der Homepage der Universitätsstadt Marburg, die Beteiligung aller Ortsbeiräte und die ständige Begleitung durch den Radverkehrsbeirat mit seiner fachkundigen Besetzung.
Nachdem der Vorgängerplan zu mehr als 90 Prozent umgesetzt worden ist, ging es bei der dritten Fortschreibung nicht nur darum, die gesamte Radverkehrsplanung zu überarbeiten, sondern sie im Sinne eines attraktiven und sicheren Radverkehrs neu zu formulieren. Beauftragt hat die Stadt damit Mitte 2015 die „Planungsgruppe Nord – Mobilität und Verkehr“ (PGN) aus Kassel in Zusammenarbeit mit dem Büro für Mobilitätsberatung und Moderation aus Trier, das große Erfahrungen bei Mobilitäts- und Verkehrsprojekten und im umweltfreundlichen Verkehr einbrachte. Die Projektleitung lag bei Stadtentwicklungsreferent Wolfgang Liprecht, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Radverkehrsbeirats ist.
Der neue Radverkehrsplan sei von zwei Grundgedanken getragen, erläuterte Spies: „Das Fahrrad ist heute ein gleichberechtigter Bestandteil der Alltagsmobilität. Gerade deshalb müssen wir den respektvollen Umgang aller Verkehrsteilnehmer bei der Planung mitdenken und stärken.“
Dabei gelte es besonders aufgrund von E-Bikes auch, die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Fußgängern und Radfahrern einzubeziehen. Auch die Schaffung von Abstellplätzen für Fahrräder sei für Marburg von hoher Bedeutung.
Weil das nicht nur für städtische Flächen richtig sei, habe die Stadt frühzeitig mit der Philipps-Universität gesprochen, damit Stellplätze an der neuen Universitätsbibliothek entstehen. Auch mit dem Investor für den Umbau des Allianz-Hauses an der Universitätsstraße ist die Stadt im Kontakt. Hier sollen laut Liprecht für Fahrräder sowohl Plätze an der Universitätsstraße beim Savignyhaus als auch in Richtung Schulstraße entstehen.
Nach einer umfassenden Bestandsaufnahme der gesamten Radverkehrssituation in Marburg wurden für den jetzt vorgelegten Radverkehrsplan mehrere Schwerpunkte intensiver bearbeitet. Von besonderer Bedeutung war dabei die Analyse der Netzstruktur von Radtrassen, seien sie als eigenständig geführte Radwege vorhanden oder als Radstreifen entlang bestehender Straßen markiert.
So hat die neue Radverkehrsplanung vor dem Hintergrund von Einwohnerverteilung und Wohnquartieren als „Quellpunkten“ sowie von Zielpunkten wie Schulen, Uni-Fachbereichen, Arbeitsplätzen und Handel innerhalb von zwei Jahren die Notwendigkeit für neue oder veränderte Radverkehrsverbindungen herausgearbeitet. Sie münden in über 160 Vorschlägen für Radverkehrsmaßnahmen. Dabei handelt es sich um eine Rahmenplanung mit Vorschlägen für die Linien-
und Netzplanung, die unter Beteiligung der Betroffenen durch Ausführungsplanungen konkretisiert, auf Umsetzbarkeit geprüft und gegebenenfalls modifiziert werden muss. Auch die Prioritätensetzung werde –
wie schon beim BildungsBauProgramm (BiBaP) erfolgreich erprobt – unter Bürgerbeteiligung erfolgen, versprach der Oberbürgermeister.
Ohne etwas vorwegzunehmen, stehen dabei aufgrund des Baus der neuen Universitätsbibliothek mit Sicherheit Schutzstreifen am Pilgrimstein und in der Bahnhofstraße ganz oben auf der Agenda. „Weiter brauchen wir für Fahrradfahrer eine bessere Erreichbarkeit der Lahnberge und auch der Außenstadtteile wie Michelbach“, erläuterte Verkehrsdezernent Spies. Dabei seien unterschiedliche Möglichkeiten auch mit den Trägern der Straßen wie Hessen Mobil zu prüfen.
Auf die Frage nach möglichen Fahrradstraßen erläuterte Spies, dass man die Entwicklung der Verkehrsströme zur Universitätsbibliothek abwarten müsse und dann gemeinsam darüber nachzudenken sei, ob das für die Uferstraße, die sich als Fahrradstraße eigne, eine möglicherweise sinnvolle Lösung sei. Auch Fahrradstraßen sind für den Autoverkehr weiter befahrbar; allerdings gilt dort Schrittgeschwindigkeit.
Insgesamt machte der Oberbürgermeister deutlich: „Die Radverkehrsplanung ist nicht in Stein gemeißelt. Es kommt darauf an, auch auf Entwicklungen reagieren zu können.“
Sämtliche Punkte werden in der Radverkehrsplanung nun kartographisch, mit Luftbild und einem kurzen Text vorgestellt. Eine Herausforderung sind dabei immer wieder die meist in West-Ost-Richtung verlaufenden Trassen mit Steigungs- und Gefällestrecken wie auf die Lahnberge oder in Richtung Marbach und Stadtwald, während es sich bei vielen Maßnahmenvorschlägen im Lahntal meist um Trassenergänzungen oder Optimierungen handelt.
Genauso wie das Radwegenetz gehören zur Radverkehrsplanung Marburg die Verbesserung der radspezifischen Infrastruktur. So sieht die Planung neue Radabstellanlagen, Ladestationen für Pedelecs und Radwegweisungen vor.
Auch die Atmosphäre im Sinne des Radverkehrs soll durch Werbe- und Marketingmaßnahmen in Ausbildungs- und Arbeitsstätten verbessert werden. Schließlich soll auch der Handel dafür gewonnen werden, radverkehrsafine Kunden im Sinne des Mobilitätsmanagements stärker an sich zu binden.
Fahrradverleihsysteme, Wechsel des Verkehrsmittels auf einem Weg, bessere Verkehrssicherheit für den Radverkehr, Vielfalt der Fahrradtypen sowie Lastenfahrrädern sollen auch in Marburg eine stärkere Rolle spielen. Das gilt in besonderem Maße für E-Bikes oder Pedelecs, von denen in dieser topographisch schwierigen Stadt eine deutliche Steigerung des Anteils des Radverkehrs am Gesamtverkehr zu erwarten ist. Spies zeigte sich sehr zufrieden, dass die Universitätsstadt Marburg mit der neuen Radverkehrsplanung eine sehr fortschrittliche Radverkehrsentwicklungsplanung erhält, die mit umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung erstellt wurde, auf neuestem Kenntnisstand von Verkehr und Mobilität aufbaut und die geeignet ist, Konfliktpotenziale von Verkehrsteilnehmenden untereinander abzubauen.

* pm: Stadt Marburg

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