Die eingegangenen Angebote zur weiteren Nutzung des Ringlokschuppens hat ein Auswahlgremium am Mittwoch (19. April) in einer ersten Stufe beraten. Drei Konzepte gehen nun in die zweite Runde der Auswahl Anfang Mai.
Um den denkmalgeschützten Ringlokschuppen mit einer – zum kulturellen Umfeld des Waggonhallen-Areals passenden – Nutzung zu erhalten, hatte sich die Stadtverordnetenversammlung (StVV) im Herbst auf Magistratsvorschlag hin für eine Konzeptausschreibung mit Bürgerbeteiligung entschieden. Um die inhaltliche Ausrichtung der eingereichten Konzepte als Faktor bei der Auswahl eines möglichen Käufers am stärksten gewichten zu können und nicht aufgrund des preislichen Höchstangebots veräußern zu müssen, wurde das besondere Verfahren der Konzeptausschreibung ausgewählt.
Im Rahmen des neuen städtischen Schwerpunkts der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung sind dabei Anwohnerinnen und Anwohner, Nutzerinnen und Nutzer, fachkundige Beiräte und alle Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung neben Magistrat und Verwaltung an der Auswahl direkt beteiligt. Sie haben die eingegangenen Angebote am Mittwoch nach Kriterien wie Denkmalschutz, Architektur, Gestaltung, städtebaulichem Konzept und Art der Nutzung, nach Wirtschaftlichkeit, Realisierungszeitraum und energetischem Konzept bewertet.
In einer zweiten Runde Anfang Mai kommt dann der Angebotspreis als Kriterium hinzu. Das Verfahren ist somit noch nicht abgeschlossen.
Welches der eingereichten Konzepte am Ende des Beteiligungsprozesses umgesetzt werden soll, entscheidet im Anschluss die Stadtverordnetenversammlung. Das Auswahlgremium gibt zuvor eine Empfehlung ab, die in Magistrat und Stadtverordnetenversammlung beraten wird.
Die drei für die zweite Runde ausgewählten Konzepte lagen mit einem jeweils überzeugenden Denkmalschutzkonzept in der Bewertung des Auswahlgremiums nah beieinander.
Ziel des ersten Projekts „Begegnungsstätte für Mensch, Technik, Kultur, Geschichte, Handwerk und Bildung“ ist es, den Gebäudekomplex zu sanieren, soweit wie möglich zu erhalten und zum überregionalen Anlaufpunkt für Interessierte der Technikgeschichte und Lokomotiven zu entwickeln. Das komplette Gelände soll für Sonderfahrten mit alten Lokomotiven nutzbar und dem Tourismus zugänglich gemacht werden.
Dazu würde die Drehscheibe erhalten und im Inneren des Lokschuppens ein flexibler Boden eingerichtet. Drei der 16 Lokstände blieben in ihrer ursprünglichen Funktion erhalten. Sichtbarstes Merkmal des Konzepts wäre eine Glasriegelkonstruktion in den Tür- und Fensterbereichen des Lokschuppens.
Das Werkstattgebäude soll als Präsentations- und Ausstellungsraum dienen. Die Außenfläche böte Platz für Veranstaltungen. Sie wäre auch für das Theater der Waggonhalle nutzbar.
Das zweite Konzept trägt den Titel „Kultur- und Begegnungszentrum Drehscheibe-Lokschuppen“. Ein neues gläsernes Atrium mit Sichtachse auf Drehscheibe und Stadt soll laut diesem Vorschlag architektonisch mehrere Raumkonzepte miteinander verbinden.
auf der einen Seite entstünde demnach ein Veranstaltungsraum für kulturelle Events, Gottesdienste sowie als offene Begegnungsfläche und auf der anderen Seite ein Kreativraum mit Büros, Ateliers und Meetingräumen für die Kunst-, Kreativ- und Kulturszene. Ein Konzept für studentisches Wohnen käme –
integriert in die historische Industriekultur des Lokschuppens – hinzu. Im angrenzenden Werkstattgebäude entstünden auf zwei Ebenen Verwaltungs- und Seminarräume sowie ein Erlebnisbereich für Kinder.
Der dritte Vorschlag schließlich firmiert unter dem Titel „Von der Industriebrache zum kreativen Knotenpunkt“. Baulich will dieses Projekt die historische Hülle der Waggonhalle erhalten und um ein Dach mit Glaselementen ergänzen. In die Hülle hinein gebaut werden sollen separat beheizbare Teilbaukörper.
Öffentliche Tagungsräume und eine Ausstellungsfläche wären sowohl für das Theater der Waggonhalle und die Gastronomie des Rotkehlchens als auch zur Vermietung für Veranstaltungen nutzbar. Ergänzt würde das bestehende Gebäude um eine private Arbeitsfläche für die Marburger Kreativwirtschaft und Start-Ups, wobei die Wände und das Dach des Lokschuppens erhalten und sichtbar bleiben. Im Werkstattgebäude entstünde ein Hotel und Boarding-Haus mit 32 Zimmern.
Der seit langem ungenutzte und leerstehende Lokschuppen im Nordviertel am Ortenberg ist als Kulturdenkmal eingetragen und befindet sich in einem baulich sehr schlechten Zustand. Aufgrund der unterlassenen Instandhaltung seitens des Voreigentümers waren große Teilbereiche des Dachs bereits vor dem Kauf eingestürzt, so dass das Gebäude nach der Übernahme durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau als Erstes komplett abgesperrt werden musste.
2015 war zudem der kontrollierte Abbau eines begrenzten – unmittelbar einsturzgefährdeten – Teilbereichs des Dachs notwendig geworden, um wesentlich größere Schäden durch einen unkontrollierten Teileinsturz zu verhindern. Die Dacheindeckung wurde abgenommen und die freiliegende Dachkonstruktion vor weiterer Verwitterung geschützt. Nun besteht dringend Handlungsbedarf, um den Bestand zu sichern.
* pm: Stadt Marburg