Kästner vom Klingelpütz: Das doppelte Lottchen beim KUSS-Festival

„Licht!“ Die Frau auf der Bbühne wendet sich an die Technik. Dort herrscht Chaos.
Im ersten Moment mochte man glauben, die Aufführung hätte noch nicht begonnen, aber dann wurde deutlich: Das COMEDIA Theater aus Köln war bereits voll in Aktion „Das doppelte Lottchen“ war sein Beitrag zum 24. KUSS-Festival 2019.
Im Anschluss an die Preisverleihung 2019 zeigten die Preisträger des Marburger Kinder- und Jugendtheaterpreises 2018 am Samstag (6. April) eine witzige und ironisch gebrochene Darstellung des – bereits 1942 ausgearbeiteten und 1949 als Roman veröffentlichen – Stoffs von Erich Kästner. Drei Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf führen ihn gemeinsam mit ihrer Wärterin auf. Der Auftritt als Theaterschauspieler soll die „schweren Jungs“ läutern und zu besseren Menschen machen.
Immer wieder entstehen bei der Aufführung Missverständnisse oder Streit. Dadurch werden die rührseligen Szenen des Kinderbuchs ironisch gebrochen und durch distanzierte Kommentierungen in die heutige Lebenswirklichkeit geholt. Genau das verhilft der Geschichte jedoch zu einer größeren Durchschlagskraft und mehr Attraktivität für junge Menschen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben trifft Lotte im Ferienheim auf Luise. die beiden Mädchen sehen einander so ähnlich, dass alle völlig erstaunt sind. Bald finden Lotte und Luise heraus, dass sie Zwillinge sind.
Ihr Vater lebt mit Luise in Wien, während die Mutter mit Lotte in München wohnt. Luise ist fröhlich und frech, wohingegen Lotte häuslich und ordentlich ist Zum Ende der Ferien tauschen sie die Namen und fahren zu dem Elternteil, den sie bisher noch nicht kennen.
Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktereigenschaften schöpfen die Eltern keinen Verdacht. Dabei kann Luise nicht kochen, während Lotte ziemlich schüchtern ist. Über Briefe helfen sie einander, immer besser in die Rolle der anderen Zwillingsschwester zu schlüpfen.
Rasant und spritzig kommt die Inszenierung von Frank Hörner daher. Als „Knackis“ spielen Peter S. Herff, Liliom Lewald und Manuel Moser nicht nur den Vater und die beiden Mädchen, sondern auch sonst fast alle Rollen. Dabei überzeugen alle drei durch darstellerische Ausdruckskraft und komisches Talent.
Absolut herausragend war jedoch Sibel Polat als Gefängniswärterin, die die Mutter der Zwillinge ebenso spielt wie die Verehrerin des Vaters. Vor allem ihr gelang es in beeindruckender Weise, Komik und Ernst immer an passender Stelle in wohldosiertem Maß aufzulegen.
Mit völlig unterschiedlicher Musik hat Sebastian Maier zwischendurch die verschiedenen Stimmungen angedeutet. Das reicht von Volksliedern undWalzernoder Klassischer Musik bis hin zu harten Beats.
Am Ende des Theaterstücks steht die Erkenntnis, dass Menschen miteinander glücklich werden sollen ohne Bevormundund oder Zwang. Dem „Happy End“ von Kästner stellt Hörner gleich mehrere Möglichkeiten gegenüber. Die Möglichkeit zum Applaus nutzten die Anwesenden am Samstagabend mit begeisterten Pfiffen und langanhaltendem Klatschen ausgiebig.

* Franz-Josef Hanke

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