Wie geht der Wahrnehmungsapperat von Menschen mit Lücken um? Das haben marburger Psychologen experimentiell erforscht.
Einen Artikel darüber haben sie im Online-Magazin „Current Biology“ veröffentlich. Autoren sind der Psychologe Prof. Dr. Alexander C. Schütz und sein Mitarbeiter Dr. Alejandro H. Gloriani von der Philippsuniversität. Wenn es dunkel ist, kann man von der Mitte des Sehfeldes aus nichts erkennen. Von den Rändern aber kann man etwas erkennen. Trotzdem verlassen sich Menschen in der Finsternis weitgehend auf die vagen Informationen über die Lücke.
Je nach Beleuchtung nutzen Menschen unterschiedliche Sehzellen. Bei schwachem Licht sind das die sogenannten „Stäbchen“, bei Tageslich die „Zapfen“. „Es ist unklar, ob der menschliche Wahrnehmungsapparat berücksichtigt, wie unterschiedlich sich Tageslicht und nächtliche Beleuchtung auswirken“, schreiben die Autoren. Während die Anzahl der Zapfen zur Mitte der Netzhaut hin zunimmt, befinden sich die Stäbchen an ihrem Rand.
Im Zentrum der Netzhaut als der Stelle des schärfsten Sehens fehlen die Stäbchensehzellen ganz. Die dort konzentrierten Zapfen aber sind für schwaches Licht nicht empfindlich genug, so dass das visuelle System des Gehirns bei schwacher Beleuchtung keine Signale von dort erhält.
„Ein kleiner Stern am Nachthimmel kann verschwinden, sobald wir direkt auf den Stern blicken, weil er auf diese Stelle – die Sehgrube – projiziert wird“, erklärte Gloriani beispielhaft die Folgen. „Bislang ist wenig darüber bekannt, wie das visuelle System bei schwacher Beleuchtung mit der Fovea umgeht“.
Schütz und Gloriani führten Experimente durch, in denen 40 Probandinnen ein Muster betrachteten. Dieses Muster ist in der Mitte des Gesichtsfeldes, auf Höhe der Sehgrube anders gestaltet als drumherum. „Trotz der Unterbrechung des Musters nahmen die meisten Probandinnen es als durchgehend wahr, wenn die Beleuchtung schwach war“, berichteten die Psychologen.
„Die Versuchsteilnehmerinnen bevorzugten Informationen aus dem zentralen Blickfeld, obwohl diese bei schwacher Beleuchtung nicht vertrauenswürdig waren“, führten Schütz und Gloriani aus. Die Autoren werteten das als Nachweis dafür, dass die Lücke, die nachts in der Mitte des Gesichtsfeldes besteht, durch Informationen aus der unmittelbaren Umgebung aufgefüllt wird.
„Die übergeordneten Verarbeitungsinstanzen vertrauen dieser abgeleiteten Information mehr als wahrheitsgetreuen Informationen aus der Peripherie des Gesichtsfeldes“, folgerte das Team aus seinen Befunden. „Offenbar ignorieren sie die nachtblinde Fehlstelle und berücksichtigen daher auch nicht, ob Informationen von Zapfen- oder Stäbchenrezeptoren stammen und ob die Informationen nur aufgefüllt sind oder nicht.“
*PM: Philippsuniversität Marburg