Gier ist gefährlich: Forscher untersuchten Konfliktbereitschaft

Wer mehr von einem Beutezug profitiert als der Rest der eigenen Gruppe, heizt den Konflikt mit Gegnern an, auch wenn es das Wohlergehen der eigenen Gruppe gefährdet. Das ergibt sich aus Verhaltensexperimenten.
Ein Forschungsteam aus Köln, Marburg und Toulouse hat sie mit äthiopischen Halbnomaden durchgeführt. Die Fachzeitschrift „Nature Human Behaviour“ berichtet in ihrer aktuellen Online-Ausgabe über die Ergebnisse.
Für die meisten Menschen gibt es in gewaltsamen Konflikten mehr zu verlieren als zu gewinnen. Weshalb kommt es dennoch immer wieder zu solchen Auseinandersetzungen?
„Die Regel, nach der Beute in Siegergruppen aufgeteilt wird, hat starken Einfluss auf die individuelle Bereitschaft, sich in Konflikten zu engagieren“, erklärte Mitverfasser Dr. Hannes Rusch. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht an der Philipps-Universität.
Gemeinsam mit Juniorprofessorin Dr. Gönül Dogan von der Universität zu Köln und dem Anthropologen Dr. Luke Glowacki aus Toulouse nahm Rusch insbesondere zwei Aspekte unter die Lupe: Welchen Einfluss haben Aufteilungsregeln auf die Bereitschaft des Einzelnen, sich in einem Konflikt für die eigene Gruppe einzusetzen? Wie relevant sind solche materiellen Anreize, wenn Gruppen aufeinandertreffen, die eine feindselige Vorgeschichte haben?
Um diese Fragen zu beantworten, führte das Forscherteam ein ökonomisches Experiment mit drei äthiopischen Bevölkerungsgruppen durch. Zwei dieser Volksgruppen verbindet seit langem eine gemeinsame Geschichte gewaltsamer Feindseligkeiten. Mit der dritten Bevölkerungsgruppe hingegen bestehen allseits friedliche Handelsbeziehungen.
Rund 200 Angehörige dieser Volksgruppen nahmen an einem modellhaften Konfliktspiel teil. „Die historische Feindschaft zwischen den Volksgruppen hat nur dann einen messbaren Einfluss auf das Entscheidungsverhalten, wenn die Beute zu gleichen Teilen in der Gewinnergruppe aufgeteilt wird“, legte Mitverfasserin Dogan dar. „In diesem Fall wählten die Teilnehmer vorwiegend defensive Strategien.“
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die Gewinner ihre Beute ungleich unter sich aufteilen: In diesem Fall wählen die Benachteiligten defensive Strategien, während die Profiteure offensiv-aggressives Verhalten zeigen. „Die Vorgeschichte der Bevölkerungsgruppen spielt hier keine messbare Rolle“, führt der dritte Mitverfasser Glowacki aus.“
„Unsere Resultate werfen ein neues Licht auf gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Gruppen“, resümierte Rusch. „Wenn einige Gruppenmitglieder besonders von solchen Konflikten profitieren, können es gerade diese Profiteure sein, die offensiv aggressiv werden. Oft genug mag das schon ausreichen, um die Spirale von Gewalt und Gegengewalt in Gang zu setzen.“
Dogan ist Juniorprofessorin am Seminar für Unternehmensentwicklung und Wirtschaftsethik der Universität zu Köln. Rusch arbeitet im Fachgebiet Finanzwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Der Anthropologe Glowacki ist Gastwissenschaftler am Institute for Advanced Study in Toulouse.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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