Marburg vorn: Warum gerade Behinderte so wirksam warnen

In der internationalen Behindertenbewegung hat Marburg eine Vorreiterrolle inne. Das zeigt sich auch bei der Ausstellung zur sogenannten „Euthanasie“.
Eine Wanderausstellung zu den Nazi-Verbrechen an Menschen mit Behinderungen hat die Arbeitsgruppe „Menschenbild Behinderter Gestern und Heute“ im „Marburger Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ um konkrete Beispiele aus Marburg ergänzt. 164 Zwangssterilisierungen und 333 Morde an Behinderten aus Marburg haben sie in einem zusätzlichen Ausstellungsteil zusammengetragen. Die ergreifende Ausstellungseröffnung am Freitag (22. August) im katholischen Begegnungshaus „Ka.Re.“ war eine wirkungsvolle Mahnung zu aktivem Eintreten für Demokratie.
Ein Zufall ist es nicht, dass ausgerechnet Menschen mit Behinderungen eine so wirkungsvolle Warnung vor Rechtsextremismus auf den Weg gebracht haben. Die Begründung der Morde an Behinderten als angeblich „unnütze Esser“ und als „lebensunwertes Leben“ sind gar nicht so weit entfernt von Kosten-Nutzen-Rechnungen neoliberaler Ideologen, die seit Jahren immer mehr Raum einnehmen in der internationalen und deutschen Politik. Ein Zeitstrahl in der Ausstellung listet eugenische Debatten vom Jahr 1907 bis zum Jahr 2025 auf. Leider nehmen solche Debatten in jüngster Zeit auch zu und gewinnen zudem mehr Schärfe.
Darum sei ein Besuch der Ausstellung „Verfolgung behinderter Menschen im Nationalsozialismus“ im Ka.Re an der Biegenstraße allen empfohlen, die sich nicht für Politik interessieren. Wer sich für Politik interessiert, wird wohl sowieso dorthin gehen wollen. Wer aber nicht hingeht, der könnte möglicherweise bald eben wegen jender menschenverachtenden Politik draufgehen.

* Franz-Josef Hanke

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