Die Ausstellung „Verfolgung behinderter Menschen im Nationalsozialismus“ wird von Freitag (22. August) bis Donnerstag (30. Oktober) im Begegnungshaus „KA.RE.“ an der Biegenstraße gezeigt. ‚Es befindet sich neben der Kirche „St. Peter und Paul“.
Die Präsentation beinhaltet die Wanderausstellung „Die nationalsozialistischen ,Euthanasie‘-Morde“ von Topographie des Terrors in Berlin. Sie kommt zustande auf Initiative der Arbeitsgruppe „Menschenbild Behinderter Gestern und Heute“ innerhalb des Marburger Netzwerks für Demokratie und gegen Rechtsextremismus in Zusammenarbeit mit der Stadt Marburg und dem „KA.RE.“ Die Ausstellung dokumentiert Vorgeschichte, Voraussetzungen und Durchführung der Patientenmorde im Nationalsozialismus, als Menschen mit psychischen, geistigen und körperlichen Behinderungen systematisch verfolgt und ermordet wurden. Ergänzt wird sie durch Informationen der Verfolgungsgeschichte in Marburg und Hessen.
Um gerade junge Menschen anzusprechen, wurde ein Peer-Rundgang entwickelt, mit dem sich Gruppen die Ausstellung selbst erschließen und ihre Eindrücke im Anschluss gegenseitig vorstellen können. Für die Peer-Rundgänge werden noch Peer Guides im Alter von 16 bis 25 Jahren gesucht. Wer interessiert ist oder einen Ausstellungsrundgang buchen möchte, kann sich melden unter marburgmachtdemokratie@marburg-stadt.de. Eröffnet wird die Ausstellung mit einer Vernissage am Freitag (22. August) um 19 Uhr im „KA.RE.“.
Im Rahmen dieser Ausstellung hält Dr. Wolfgang Form am Donnerstag (11. September) von 19 bis 21 Uhr im Ausstellungsraum des „KA.RE.“ an der Biegenstraße einen Vortrag zum Thema „Der lange Arm der NS-Verfolgung. Zum Umgang mit den Opfern der Zwangssterilisation nach dem Ende des NS-Regimes“. Schon wenige Monate nach dem Ende des NS-Regimes wurde den Opfern der Zwangssterilisation deutlich vor Augen geführt, dass sie nicht als Nazi-Opfer betrachtet werden. Nur in Ausnahmefällen wurde ihnen staatliche Unterstützung zugebilligt. Denjenigen Opfern, die die Sterilisation rückgängig gemacht haben wollten, wurden administrative Hürden in den Weg gelegt.
Schließlich – so die gängige Argumentation – sei alles doch rechtens per Gerichtsbeschluss abgelaufen. Entsprechend wurde dieses NS-Opfergruppe aus den bundesdeutschen Entschädigungsregelungen (Bundesentschädigungsgesetz –
BEG) ausgeklammert. Auch Bemühungen, sie in den 60er-Jahren doch noch unter das BEG fallen zu lassen, scheiterten unter anderem an der Intervention der Marburger Psychiater Ehrhardt und Villinger. Erst ab 1980 konnten Opfer Entschädigung beantragen.
Ebenfalls im Rahmen der „Euthanasie“-Wanderausstellung halten Tobias Karl, Dr. Steffen Dörre und Prof. Sabine Mecking am Mittwoch (22. Oktober) von 19 bis 21 Uhr im Ausstellungsraum des „KA.RE.“ an der Biegenstraße einen Vortrag zum Thema „Kultur gegen das Vergessen. Der steinige Weg zu einer opferzentrierten Erinnerungskultur in Hessen“. Das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen ist von auffälligen Brüchen geprägt. In Hessen wechselten sich über Jahrzehnte Phasen des Schweigens und geringen gesellschaftlichen Interesses mit Phasen intensiverer Auseinandersetzung ab.
Warum blieb eine nachhaltig und kontinuierlich gewachsene Gedenkkultur über Jahrzehnte aus, obwohl es bereits in der frühen Nachkriegszeit erste Ansätze des Gedenkens gab? Der Vortrag geht dieser Frage nach und nimmt die erinnerungskulturellen Entwicklungen ab 1945 in Hessen in den Blick. Im Anschluss an den etwa 45-minütigen Vortrag besteht die Möglichkeit zum gemeinsamen Austausch.
* pm: Marburger Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus