Mit psychologischem Rat: Gute Kommunikation trägt zum medizinischen Erfolg bei

Forschende des Sonderforschungsbereichss „Treatment Expectation“ geben vier Empfehlungen für medizinisches Fachpersonal. Kern ist eine kompetente Kommunikation der Ärzteschaft mit den Patienten.
Die Behandlungserwartungen von Patienten und Patientinnen beeinflussen den Erfolg einer Therapie: Positive Erwartungen erhöhen die Chancen für einen besseren Therapieerfolg; negative Erwartungen vermögen den Erfolg zu mindern und erhöhenEin Auftreten von Nebenwirkungen. Das Autorenteam aus Hamburg, Marburg und Potsdam empfiehlt in der aktuellen Ausgabe des renommierten Medizin-Journals „Journal of the American Medical Association“ (JAMA) vier evidenzbasierte Kommunikationsstrategien, wie Behandler die positiven Erwartungseffekte konkret fördern können.
„Sprechen Sie über die Behandlungserwartungen der Patienten“, raten die Wissenschaftler. „Stärken Sie die Arzt-Patienten-Beziehung! Fördern Sie positive Erwartungen“ und „reduzieren Sie die Angst vor Nebenwirkungen!“
Die Psychologen Prof. Meike Shedden-Mora von der Medical School Hamburg, Prof. Winfried Rief von der Philipps-Universität Marburg und Prof. Johannes Laferton von der Health and Medical University Potsdam haben die entscheidenden Faktoren aus unterschiedlichen Studien über Placeboeffekte extrahiert. Wesentliche Impulse zu dieser Arbeit kamen von dem – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Transregio-Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“. Shedden-Mora und Rief sind Mitglieder des interdisziplinären Wissenschaftsteams an den Universitäten Duisburg- Essen, Marburg und Hamburg, das den Mechanismus erforscht, wie die Erwartung von Patienten und Patientinnen die Wirksamkeit medizinischer Behandlungen beeinflusst. Positive und negative Erwartungen – aber auch die Angst vor Nebenwirkungen –
können unabhängig voneinander den Behandlungserfolg beeinflussen, wie eine umfangreiche Analyse von sechs Studien mit insgesamt 748 Teilnehmenden zeigt. Auch wenn man sich viel Nutzen von der Behandlung verspricht, kann gleichzeitig die Besorgnis groß sein, Nebenwirkungen zu erleben. Behandelnde sollten deshalb gezielt nach Vorerfahrungen fragen.
„Erzählen Sie mir von Ihren bisherigen Behandlungserfahrungen“ knüpft an Erfahrungen der Patienten an. „Was glauben Sie, wie sehr wird ihnen die Behandlung helfen“erfragt die Erwartungen. Nach Befürchtungen erkundigt sich die Frage „Haben Sie Angst vor Nebenwirkungen?“
Die Psychologin und Psychotherapeutin Shedden-Mora erklärte: „Wir ermutigen jeden, der im Kontakt mit Patienten ist, diese Fragen zu stellen, denn nur so können eine individuelle Therapie und unterstützende Kommunikation zugeschnitten auf die persönlichen Ängste und Bedürfnisse erfolgversprechend eingesetzt werden.“ Zeigen Ärztinnen und Ärzte Kompetenz und verhalten sich empathisch, dann beeinflusst auch das den Behandlungserfolg. Nonverbale Signale wie Augenkontakt oder ein bestätigendes Nicken sowie eine gut strukturierte verständliche Kommunikation – „Wenn Sie sich Sorgen um Nebenwirkungen machen, lassen Sie uns gemeinsam überlegen, was wir bei auftretenden Nebenwirkungen tun können!“ – schaffen Vertrauen. Eine Studie mit 262 Patienten mit Reizdarmsyndrom konnte zeigen, dass deutlich mehr Patienten von einer (Placebo-)Akupunktur-Behandlung profitierten, wenn Arzt oder Ärztin Wärme und Empathie ausstrahlte, als wenn der Kontakt eher sachlich-distanziert gestaltet war.
„Offene Fragen stellen, zuhören und seine eigene Erfahrung als Arzt betonen“ können ein wichtiger Faktor beim Therapieerfolg sein“, betonte der Marburger Psychologe und Psychotherapeut Rief. „Jeder Arzt und jede Ärztin sowie jeder Psycho- oder Physiotherapeut sollten sich der Wirkung ihrer Kommunikation bewusst sein.“
Jeder Patient und jede Patientin hat Erwartungen an seine Behandlung. Positive Annahmen und eine zuversichtliche Perspektive werden unterstützt, wenn Behandler realistisch die persönlichen Ziele eines Patienten bestärken: „Nach der Operation möchten Sie wieder mit Ihrer Familie Bergwandern. Ich bin zuversichtlich, dass Sie in den ersten sechs Wochen schon kurze Spaziergänge unternehmen und nach drei Monaten bereits wieder moderate Wanderungen bewältigen können.“
Dass ein persönlicher Genesungsfahrplan das Gesundwerden fördert, zeigen Studien an Patienten mit Herzoperationen und operativen Eingriffen im Bauchraum. Sie konnten nach Eingriffen am Herzen bis zu 4,5 Tage früher aus dem Krankenhaus entlassen werden, und nahmen nach Bauch-Operattionen etwa fünf Tage früher ihre normalen Alltagsaktivitäten wieder auf. „Beim Entwickeln solch eines Genesungsfahrplans mit Hilfe einer psychologischen Intervention ist es wichtig, dass die Ziele realistisch sind und eine persönliche Bedeutung haben, zum Beispiel nach der Bypass-Operation wieder mit dem Hund Gassi gehen können“, bestätigte der Psychologe und Psychotherapeut Laferton.
Gut belegt ist, dass Patientinnen und Patienten das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen oft überbewerten und den Nutzen einer Therapie unterschätzen. Wie medizinisches Personal mögliche Nebenwirkungen erklärt, beeinflusst entscheidend die Häufigkeit von Nebenwirkungen. Die ausgewogene Aufklärung in einem positiven Rahmen, wo auch der Nutzen betont und erläutert wird, reduziert die Belastung durch Nebenwirkungen. So berichten in einer klinischen Studie Patienten, die Methotrexat für ihr entzündliches Rheuma erhielten, deutlich weniger Nebenwirkungen, wenn ihnen mögliche Nebenwirkungen als positives Zeichen, dass das Medikament im Körper wirkt, erklärt wurden. Patienten, die eine solche positive Erklärung für Nebenwirkungen erhielten, brachen die Behandlung deutlich seltener ab.
„Dass JAMA diese Erkenntnisse und Ratschläge in der Serie Insights „Communicating Medicine“ veröffentlicht, freut uns sehr, da wir als Forschungsverbund schon seit vielen Jahren substantiell zu der Evidenz dieser Effekte beitragen“, , erklärte Prof. Ulrike Bingel. „Die positive Bedeutung von Kommunikation im therapeutischen Bereich aller Disziplinen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gleichzeitig werden wir noch viele Erkenntnisse gewinnen müssen, die es uns erlauben personalisiert, kontextspezifisch und flächendeckend in der Praxis die Erwartungseffekte zum Wohl der Patienten zu nutzen.“ Die Neurologin und Leiterin der Schmerzmedizin an der Universitätsklinik Essen ist Sprecherin des Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“. Seit Jahrzehnten forscht sie intensiv im Bereich Placebo- und Noceboeffekte in der Medizin.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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