Kanzlerkandidatur: Friedrich Merz mit blauem Auge davongekommen

Friedrich Merz ist der 10. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Gewählt wurde er allerdings erst im 2. Wahlgang.
Mit 325 Stimmen erreichte Merz im zweiten Anlauf eine ausreichende Mehrheit. Im ersten Wahlgang war er zunächst gescheitert mit nur 310 von insgesamt 328 Stimmen aus seiner Koalition. Wer aus den Fraktionen von CDU und CSU oder SPD ihm die Gefolgschaft verweigert hat, ist allerdings nicht bekannt. Die Abstimmung erfolgte in geheimer Wahl.
Möglich ist, dass Erzkonservative in CDU und CSU ihn abstrafen wollten dafür, dass er sein Versprechen für eine strenge Einhaltung der Schuldenbremse mit „Sondervermögen“ von insgesamt 500 Milliarden Euro gebrochen hat. Möglich ist auch, dass Abgeordnete der Union und der SPD ihn nicht wählen wollten, weil er im Bundestag bewusst eine Abstimmung mit der AfD herbeigeführt hat. Nicht auszuschließen ist auch, dass Politikerinnen und Politiker mit „Nein“ gestimmt haben, die sich bei der Vergabe von Posten übergangen fühlten. Wahrscheinlich ist, dass ihm sowohl Stimmen aus der eigenen Partei fehlten als auch aus der SPD.
In der SPD rumort es: Insbesondere der Umgang des künftigen Vizekanzlers Lars Klingbeil mit seiner Co-Parteivorsitzenden Sascia Esken war und ist unterirdisch. Ihr werden die schlechten Wahlerggebnisse angekreidet, für die ihr Co-Vorsitzender Klingbeil genauso verantwortlich ist wie sie. Das ist eindeutig frauenfeindlich!
Immer wieder ist zu beobachten, wie respektlos und hinterhältig im Berliner Politikbetrieb mit Frauen umgegangen wird. Das gilt genauso für Esken wie zuvor bereits für Annegret Kramp-Karrenbauer und einst selbst für Angela Merkel. Merkel indes war klüger als andere Frauen und entwickelte ihren ganz eigenen Selbstschutz mit ihrem Motto „Sie kennen mich“.
Männliche Machtgier macht sich offenbar überkommene frauenfeindliche Strukturen zunutze. Frauen müssen deutlich besser sein als Männer, wenn sie nicht allzu schnell ausrangiert werden wollen. Männer wie Philipp Amtor und Jens Spahn oder Alexander Dobrindt können sich problemlos Klöpse leisten, die Frauen sofort für ihr restliches Leben aus der Politik verbannen würden.
Merz gehört auch zu dieser Spezies der Maulhelden ohne strategische Klugheit. Wieder einmal war er auf die Stimmen der Grünen und nun sogar auch noch auf die der Linken angewiesen, um noch am Dienstag (6. Mai) im zweiten Wahlgang antreten zu können.
Im Interesse der Demokratie haben diese beiden Parteien die rasche Wiederholund der Kanzlerwahl möglich gemacht. Sonst häte die AfD tagelang ihr reaktionäres Süppchen kochen könnten auf der Schwäche von Klingbeil und Merz. Sie beide sind nun stark angeschlagen, hatten sie doch vor der Wahl allzu große Töne gespuckt.
Mehr Demut täte beiden wirklich gut. Mehr diplomatische Weitsicht wäre wohl auch angemessen für einen Kanzler des größten westeuropäischen Landes. Wer weiß, wann Merz wieder auf Stimmen von Grünen und Linken angewiesen sein wird?

* Franz-Josef Hanke

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