Ein neues digitales Werkzeug zur Erforschung der Keilschrift haben seine Entwickler vorgestellt. Beteiligt daran ist auch Prof. Elisabeth Rieken von der Philipps-Universität.
Ein Team aus Mainz, Marburg und Würzburg stellt ein innovatives Werkzeug vor, das viele neue Möglichkeiten bietet. Es sei ein „Meilenstein für die digitale Keilschriftforschung“, erklären seine Entwickler.
Im Norden der Türkei liegt die UNESCO-Welterbestätte „Bogazköy-Hattusa“. Sie war einmal die Hauptstadt des hethitischen Reiches. Dieses Reich war eine Großmacht in der späten Bronzezeit um 1650 bis 1200 vor Christus.
Die Keilschrifttafeln, die dort und an anderen hethitischen Stätten entdeckt wurden, bilden eine der größten Textgruppen aus dem Alten Orient. Sie enthalten Tausende von Quellen in Hethitisch sowie zahlreiche Fragmente in anderen anatolischen Sprachen. Hethitisch ist eine früh bezeugte indoeuropäische Sprache. Auf den Tafeln sind außerdem sumerische, akkadische und hurritische Texte zu finden.
Ein innovatives digitales Werkzeug bietet Forschenden und Studierenden seit 2023 Online-Zugang zu diesen historischen Quellen: der „Thesaurus Linguarum Hethaeorum“ Digitalis (TLHdig 0.1) auf der Plattform des Hethitologie-Portals Mainz (HPM). Seit seinem Start verzeichnet dieser Thesaurus mehr als 100.000 Zugriffe pro Monat. Damit ist er zu einem der digitalen Werkzeuge geworden, das in der Hethitologie täglich genutzt wird.
Dieses Werkzeug ist ab sofort noch mächtiger: Als „TLHdig 0.2“ umfasst es nun mehr als 98 Prozent aller veröffentlichten Quellen – das sind etwa 22.000 XML-Textdokumente, von denen viele aus mehreren, wieder zusammengeschlossenen Fragmenten bestehen. Derzeit besteht das Korpus aus fast 400.000 transliterierten Zeilen.
Das ist aber noch nicht genug: Ende 2025 soll „TLHdig 1.0“ zur Verfügung stehen und dann alle veröffentlichten Texte abdecken. Forschende können die Texte in Transliteration oder Keilschrift durchsuchen und verschiedene Filter für komplexere Abfragen anwenden. „TLHdig“ ist in die Infrastruktur des Hethitologie-Portals Mainz eingebettet und mit verschiedenen digitalen Katalogwerkzeugen, Mediendatenbanken und Texteditionen dynamisch verbunden.
„TLHdig“ ist als gemeinschaftliches Forschungswerkzeug konzipiert. Schon bei der Zusammenstellung des Korpus hat das „TLHdig“-Team auf digitale und analoge Ressourcen zurückgegriffen, die von mehreren Generationen von Hethitologen entwickelt wurden. Dazu gehören auch digitale Texteditionsprojekte auf dem Hethitologie-Portal Mainz und Beiträge vieler einzelner Forschender.
Als Werkzeug der Zusammenarbeit dient „TLHdig“ auch als Online-Pipeline für Forschende, die neue hethitische Keilschrifttexte veröffentlichen. Sie können ihre Transliterationen aus üblichen Textverarbeitungsprogrammen kopieren, in eine einfach konzipierte Benutzerschnittstelle einfügen, um dann Schritt für Schritt ihre Beiträge online fertigzustellen.
Durch diesen dynamischen Ansatz wird „TLHdig“ weiterhin mit dem Fachgebiet wachsen. So ist sichergestellt, dass das Werkzeug so aktuell wie möglich bleibt und dass Quantität und Qualität der Daten kontinuierlich zunehmen. Es dient somit sowohl als Grundlage für Texteditionen als auch als wertvolle Ressource für ein breites Spektrum von Forschungsfragen und -methoden, einschließlich der Verwendung innovativer KI-Ansätze.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat den Aufbau von „TLHdig“ gefördert. Das Projekt wurde geleitet von Prof. Gerfrid Müller von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur sowie zugleich Professor an der Universität Würzburg, Prof. Doris Prechel von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Elisabeth Rieken von der Philipps-Universität in Marburg) und Prof. Daniel Schwemer von der Universität Würzburg. Zu finden ist „TLHdig „auf dem Hethitologie-Portal Mainz unter www.hethport.uni-wuerzburg.de/TLHdig/.
* pm: Philipps-Universität Marburg