Zwei engagierte Antifaschisten erhalten den Preis „Das unerschrockene Wort“. Damit stärken die 16 Lutherstädte ihr Engagement gegen Rechtsextremismus.
Mit dem Preis „Das unerschrockene Wort“ zeichnen Deutschlands 16 Lutherstädte Menschen mit Zivilcourage aus. 2025 geht der Preis an zwei Menschen für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Am Samstag (28. März) wird sie in Augsburg verliehen.
Der Bund der 16 Lutherstädte, zu dem auch Marburg gehört, hat in seiner Jurysitzung am 29. November 2024 in Augsburg einstimmig beschlossen, seinen diesjährigen Preis an zwei Preisträger zu vergeben, die sich durch ihren mutigen und unerschrockenen Einsatz gegen Rechtsextremismus auszeichnen. Den Preis teilen sich der Buchhändler Heinz J. Ostermann aus dem Berliner Stadtteil Neukölln und Direktor Prof. Jens-Christian Wagner von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar.
Ostermann und Wagner engagieren sich aus unterschiedlichen Perspektiven gegen den Rechtsruck in Deutschland und seine Folgen. Der Jury war bei der Entscheidung wichtig, dieses Engagement auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen zu stärken. Ostermann setzt sich aus der Zivilgesellschaft, Wagner aus Wissenschaft und Institutionen heraus für eine freie Gesellschaft ein. Beide Preisträger stehen dabei nach dem Vorbild Martin Luthers dafür ein, ihre Überzeugungen auch gegen Widerstand zu verteidigen.
„Beide Preisträger stehen aktiv ein für die Demokratie und den Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus“, erklärte die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber. „In Zeiten, in denen sich Hass, Hetze und Populismus ihren Weg in unsere Gesellschaft bahnen, ist dieser Einsatz umso wichtiger.“ Weber betonte: „Heinz J. Ostermann und Prof. Jens-Christian Wagner haben im Sinne Martin Luthers Haltung gezeigt – und sich auch von Bedrohungen und gewalttätigen Angriffen nicht entmutigen lassen. Diese Courage und das Engagement möchten wir mit der Preisvergabe sichtbar machen und würdigen.“
Der Berliner Buchhändler Heinz J. Ostermann engagiert sich für die freie Gesellschaft. Nach dem Einzug der AfD ins Berliner Abgeordnetenhaus positionierte sich Ostermann zusammen mit anderen unabhängigen Neuköllner Buchhandlungen im Rahmen kritischer Diskussionsveranstaltungen gegen den aufkommenden Rechtspopulismus. Trotz darauffolgender Schaufensterzerstörung sowie Brandanschlägen ließ er sich nicht einschüchtern, sondern gab den Anstoß zur Gründung der Neuköllner Initiative „Rudow empört sich. Gemeinsam für Respekt und Vielfalt“.
Mit dieser Initiative und seiner Buchhandlung „Leporello“ als wesentlichem Anker setzt er sich seit 2018 beständig und mit unterschiedlichsten Formaten für demokratische Werte, gegenseitigen Respekt, Toleranz und Vielfalt ein. In Konsequenz dieses Engagements steht seine Buchhandlung seit Jahren unter Polizeischutz. Gemeinsam mit anderen Opfern von Brandanschlägen im Rahmen der Neuköllner Anschlagsserie – dem sogenannten „Neukölln-Komplex“ – gelang es ihm zur Aufklärung einen Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus durchzusetzen. Sein Motto lautet: „Wir alle sind aufgerufen für unsere Demokratie einzustehen und diese zu verteidigen.“
Der Historiker Prof. Jens-Christian Wagner setzt sich gegen Geschichtsrevisionismus ein. Seit Jahren engagiert sich Wagner gegen „Fake-History“ und „geschichtsrevisionistische Legendenbildung“, gegen die Verharmlosung des Nationalsozialismus und Holocaust sowie die Forderung der AfD nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“. Er entlarvt die Losung von AfD, Reichsbürgern, „Montagsspaziergängern“ und Co. nach einer „Beendigung des Schuldkults“ als Angriff auf die Arbeit der Gedenkstätten und setzt sich unermüdlich gegen einen „erinnerungspolitischen Klimawandel“ sowie insgesamt gegen die Diskursverschiebung nach rechts ein.
„Da müssen wir als Gedenkstätten – aber auch die ganze Gesellschaft und die Politik – deutlich Position dagegen beziehen“, forderte Wagner. Auch Wagner lässt sich von Morddrohungen nicht einschüchtern. In seiner Arbeit als Stiftungsdirektor, als Wissenschaftler, Lehrender, als Autor und engagierter Demokrat setzt er auf Bildung und Aufklärung, auf die Vermittlung begrifflicher Klarheit und historisch fundierten Wissens als „Voraussetzungen für historische Urteilskraft, die zu stärken Ziel unserer Arbeit ist“.
Dafür erlebt er Anfeindungen, Pöbeleien, Klagen, Hassmails und Drohanrufe bis hin zu Morddrohungen. Trotzdem lässt er sich nicht zum Schweigen bringen. Auf die Frage, wie er angesichts der Drohungen gegen ihn weitermacht, antwortet er: „Indem wir uns nicht einschüchtern lassen. Das wollen diese Leute ja. Und diesen Gefallen wollen wir ihnen nicht tun.“
Marburg ist eine der beteiligten Lutherstädte. „80 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz und nach dem Sieg über den nationalsozialistischen Terror hetzen rechtsextreme Verführer und Verfälscher wieder Menschen mit falschen Behauptungen und verdrehten Tatsachen gegeneinander auf wie lange nicht“, sagte Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Umso wichtiger ist es, durch klare Zeichen deutlich zu machen, dass unsere Gesellschaft das nicht dulden will.“
Der Preis „Das unerschrockene Wort“ ist mit 10.000 Euro dotiert. Am Samstag (28. März) wird er in Augsburg an Heinz J. Ostermann und Prof. Jens-Christian Wagner verliehen.
Seit 1996 wird „Das unerschrockene Wort“ alle zwei Jahre an couragierte Persönlichkeiten vergeben. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung erinnert an den Mut und die Standhaftigkeit Martin Luthers. Im Jahr 1521 weigerte sich der Reformator im Reichstag zu Worms vor Kaiser Karl V., seine Thesen zu widerrufen und wurde daraufhin geächtet. Damit bewies er jene Haltung, die „Das unerschrockene Wort“ ehrt. Dem Bund der Lutherstädte Deutschlands gehören neben der Universitätsstadt Marburg die Städte Augsburg, Coburg, Eisenach, Eisleben, Erfurt, Halle (Saale), Heidelberg, Magdeburg, Nordhausen, Schmalkalden, Speyer, Torgau, Wittenberg, Worms und Zeitz an. In diesen Städten hat der deutsche Reformator gelebt oder maßgeblich gewirkt.
* pm: Stadt Marburg