Die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung stärken möchten Stadt und Kreis. Eine gemeinsame Versorgungskonferenz hat die Chancen digitaler Anwendungen in den Blick genommen.
Die Digitalisierung spielt in der Gesundheitsversorgung eine immer größere Rolle. Bei der inzwischen sechsten Versorgungskonferenz des Landkreises Marburg-Biedenkopf und der Stadt Marburg ging es diesmal insbesondere um den Sachstand und die Zukunft des digitalen Datenaustauschs im Gesundheitsbereich. 41 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Fachkreisen tauschten sich dazu im Landratsamt aus.
Die Veranstaltung fand im Rahmen der gemeinsamen Initiative „Gesundheit fördern – Versorgung stärken“ statt, die 2016 ins Leben gerufen wurde. Die Initiative von Kreis und Stadt möchte mit Gesundheitsförderung sowie Prävention und der Förderung der medizinischen Versorgung die Gesundheit und Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner verbessern.
Landrat Jens Womelsdorf betonte, digitale Anwendungen seien auch im Gesundheitssektor bereits vielfach eine Erleichterung. Gleichzeitig sei es gut und wichtig, dass relevante Akteurinnen und Akteuren in der Region zusammenarbeiten und sich vernetzen, um damit die Gesundheitsregion Marburg-Biedenkopf weiter voranzubringen. Dafür sei die Versorgungskonferenz eine gute Plattform.
Stadträtin Kirsten Dinnebier sagte, Deutschland falle derzeit im Hinblick auf die Digitalisierung in der Medizin insgesamt hinter viele andere europäische Länder. „Wir müssen alle gemeinsam daran arbeiten, uns hier zu verbessern“, forderte Dinnebier. Auf regionaler Ebene seien Veranstaltungen wie beispielsweise diese Versorgungskonferenz dafür ein wichtiger Beitrag.
Nicht nur Landrat und Stadträtin hoben die Möglichkeiten digitaler Anwendungen hervor. Die Teilnehmenden betonten die Notwendigkeit des digitalen Datenaustauschs im Gesundheitswesen: Die schnelle Kommunikation untereinander und der Austausch von Befunden könne vieles – im Arbeitsablauf und zugunsten der Patientinnen und Patienten – verbessern. Risiken bezüglich der Datensicherheit und ein absehbarer Mehraufwand durch die Digitalisierung wurden aber auch thematisiert.
Der digitale Datenaustausch zwischen verschiedenen Gesundheits- und Medizinsektoren, der im Fokus der Konferenz stand, ist mittels der sogenannten „Telematik“-Infrastruktur (TI) möglich. Auf Bundesebene ist die gematik GmbH als Nationale Agentur für Digitale Medizin beauftragt, sie aufzubauen. Die TI ist das geschlossene Netz für den sicheren Datenaustausch im deutschen Gesundheitswesen. Dafür sind verbindliche Standards für Dienste, Komponenten und Anwendungen nötig.
gematik-Produktmanager Torsten Hoffmann gab in der Versorgungskonferenz einen Überblick zum aktuellen Umsetzungsstand der drei TI-Anwendungen „KIM“ (Kommunikation im Medizinwesen), TIM (TI-Messenger) sowie die Elektronische Patientenakte. Der Öffentliche Gesundheitsdienst, zu dem auch das Gesundheitsamt gehört, ist bisher nicht verpflichtet, die Telematik-Infrastruktur zu nutzen. In Hessen sind daher erst acht von 24 Gesundheitsämtern angeschlossen – Marburg-Biedenkopf gehört dabei zu den Vorreitern. „KIM“ ist wiederum ein E-Mail-System, mit dem Nachrichten und Dokumente –
wie beispielsweise Arztbriefe oder Befunde – sicher und datenschutzkonform versendet werden können“,
. Auch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wird über KIM versendet. Sehr viele Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Apotheken nutzen KIM bereits.
Das bestätigte auch der niedergelassene Internist und Kardiologe Dr. Payam Katebini für den Bereich der Arztpraxen. Hans-Walter Fritsch vom Geschäftsbereich IT am Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) sprach für den stationären Bereich: Dort müssten noch weitere technische Voraussetzungen seitens der großen Software-Anbieter geschaffen werden, damit die Krankenhäuser umfassend mit KIM kommunizieren könnten.
Michel Stockmann erläuterte die Perspektive der Digitalisierungs- und Systemadministration beim Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf: Er betonte, dass das Kreis-Gesundheitsamt bundesweit zu den circa drei Prozent der Ämter gehöre, die bereits KIM nutzen, um mit Arztpraxen sicher Patientendaten auszutauschen. Gelegenheit zur bereichsübergreifenden Betrachtung sowie für Beiträge aus dem Publikum bot die abschließende Podiumsdiskussion mit Dr. Birgit Wollenberg vom Gesundheitsamt, dem niedergelassenen Internisten und Kardiologen Dr. Lothar Born Prof. Dr. Uwe Wagner von der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am UKGM Marburg sowie Torsten Hoffmann von gematik. Moderator der Podiumsdiskussion war Dr. Heinrich Grebe, die Leitung der Gesamtveranstaltung hatte Dr. Birgit Wollenberg inne.
Die angeregte Diskussion der 41 Teilnehmenden zeigte die Relevanz der diesjährigen Versorgungskonferenz. Der Bedarf an sicherer digitaler Kommunikation über „KIM“ und perspektivisch auch über den Messenger „TIM“ ist bei allen Akteuren hoch. Bei der Elektronischen Patientenakte kam in den Gesprächen auch Verbesserungsbedarf hinsichtlich Aufbau und Vollständigkeit zur Sprache. Ein Notfall-Datensatz wurde angeregt, damit die wichtigsten Daten stets schnell zu erfassen sind.
Der Landkreis möchte den zügigen Weiterausbau der Telematik-Infrastruktur gemeinsam mit allen Versorgungsakteuren vor Ort fördern. Hoffmann lobte das Engagement im Landkreis Marburg-Biedenkopf und sagte dabei seine Unterstützung zu: „Dieser Landkreis zeichnet sich aus durch eine ausgeprägte Kommunikation der Sektoren des Gesundheitswesens – eine wichtige Ausgangsbasis für die digitale Vernetzung. Hier wird sichtbar, wie Sektorengrenzen auch durch den Einsatz der Telematik-Infrastruktur überwunden und Versorgungspfade zukunftsweisend gestaltet werden können.“
Die Arbeitsgemeinschaft medizinische Versorgung wird den Prozess weiter begleiten und neue Akteure wie die Pflegeeinrichtungen und -dienste dauerhaft mit einbeziehen. Moderiert wird das durch das Gesundheitsamt.
* pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf