Siegerehrung: Studis entwickelten Gummi aus Löwenzahn

Die Ehrung des „iGEM-Teams Marburg 2024“ hat kürzlich im Rathaus stattgefunden. Geballte Power aus Marburg hat erneut diesen internationalen Wettbewerb gewonnen.
Das „Marburg iGEM-Team 2024“ hat beim internationalen Wettbewerb der synthetischen Mikrobiologie in Paris den Gesamtsieg und vier Einzelpreise gewonnen. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat das interdisziplinäre Team im Rathaus empfangen. Kautschuk aus Löwenzahn für die zukünftige Gummiproduktion? – Geht! Das zeigte im Herbst 2024 das „Marburg iGEM-Team 2024“ bei dem alljährlichen internationalen Wettbewerb.
Die „international Genetically Engineered Machine (iGEM) competition“ (iGEM) ist ein internationaler Wettbewerb für Studierende auf dem Gebiet der synthetischen Biologie. Der Wettbewerb fand im vergangenen Jahr in Paris statt. Mehr als 400 Teams aus Forschungseinrichtungen der synthetischen Mikrobiologie aus der ganzen Welt kamen dort zusammen, um sich in einem der größten studentischen Wettbewerbe miteinander zu messen. Das Team aus Marburg hat dabei nicht nur den Gesamtsieg geholt, sondern auch vier Einzelpreise in verschiedenen Kategorien gewonnen.
„Sie haben einen Weg gefunden, wie aus Löwenzahnwurzeln Kautschuk hergestellt werden kann“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies während des Empfangs des iGEM-Teams im Historischen Saal des Rathauses. „Das ist äußerst bemerkenswert. Auf die Idee, dies zu versuchen, muss man erst einmal kommen. Und Sie sind nicht nur auf die Idee gekommen, sondern haben es auch noch geschafft. Das hat mich sehr beeindruckt. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem grandiosen Erfolg!“
Forschung und Innovation zu fördern habe in Marburg nicht nur Tradition, sondern sei auch für die Zukunft der Stadt als Universitäts- und Wirtschaftsstandort von besonderer Bedeutung. Das Besondere an dem iGEM-Wettbewerb ist, dass die jungen Studierenden dort die Ergebnisse von einem Jahr interdisziplinärer und eigenständiger Forschung präsentieren. Die Projektteam-Mitglieder kommen aus dem Zentrum für Synthetische Mikrobiologie, den Fachbereichen Biologie, Chemie, Medizin, Informatik, Geschichte und dem Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie.
Nachdem die Teams aus Marburg bereits in den Jahren 2018 und 2021 Gesamtsieger waren, ging die „Goldmedaille“ nun zum insgesamt dritten Mal nach Marburg und damit so oft, wie an keine andere Universität beziehungsweise Forschungseinrichtung. „Mit Ihrem Engagement und Ihrer Kompetenz haben Sie erneut die hervorragende Qualität des Forschungs- und Innovationsstandorts Marburg herausgestellt“, erkklärte der Oberbürgermeister. Bei der Bewertung im Wettbewerb spielt aber nicht nur die Forschung eine Rolle – die Studierenden sind auch angehalten, ihr Projekt und die Synthetische Biologie im Allgemeinen in der Öffentlichkeit darzustellen und zu diskutieren.
„Gummi beziehungsweise Kautschuk findet sich in vielen unserer alltäglichen Produkte wiedervon Autoreifen bis Quietscheente“, , erläuterte die Masterstudentin Julia Rinn vom iGEM-Team. „Das Problem dabei ist, dass wir im Augenblick Naturkautschuk nur aus dem Kautschukbaum gewinnen können, was zur Abholzung der Tropenwälder beiträgt.“
In der Forschung habe das Team festgestellt, dass sich aus den Wurzeln einer Löwenzahnart aus Kasachstan Kautschuk herstellen lässt. Doch dabei endete die Forschung des Teams noch lange nicht.
„Das Problem dabei wiederum ist, dass es neue Maschinen bräuchte, um diesen Löwenzahn mitsamt seinen Wurzeln gut ernten zu können“, erläuterte Rinn weiter. „Das würde wiederum die Landwirt*innen belasten. Daher haben wir uns gedacht, dass wir die Pflanze einfach an die vorhandenen Maschinen anpassen.“
Das Marburger Team hat das Gespräch mit verschiedenen Expertinnen und Experten gesucht. So haben die Mitglieder nicht nur mit Löwenzahnzüchtern, Gummiproduzenten und weltweit führenden Wissenschaftler*innen gesprochen, sondern auch von EU-Vertretern, Umweltschutzorganisationen, Landwirten oder Historiker*innen maßgebliche Anregungen zur Ausrichtung ihres Projektes erhalten. Dabei hat sich ganz besonders die starke Interdisziplinarität des iGEM-Teams ausgezahlt.
„Wir sind mit vielen Menschen aus Wirtschaft und Industrie in den Austausch gegangen und haben einfach gefragt: ,Was braucht ihr?“, ergänzte Alexander Kuhne. „Es soll am Ende ja wirklich einsetzbar und praktikabel sein“. Ich denke, dass wir damit eine nachhaltigere Kautschukproduktion ermöglichen können.“
Kuhne ist ebenfalls Masterstudent der molekularen und zellulären Biologie und Mitglied im iGEM-Team. „Zudem geht von der Löwenzahnart keine Gefahr für heimische Pflanzenarten aus“, betonte Kuhne.
Maßgeblich zum Erfolg beigetragen hat auch Teambetreuer Dr. René Inckemann, der vor kurzem seine Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie abgeschlossen hat. „Das iGEM-Team 2024 hat molekulare Werkzeuge etabliert, die für die Entwicklung von Sorten einer Latex-führenden Löwenzahnart essentiell sind. Diese Löwenzahnart eignet sich zudem für den flächendeckenden Anbau auf der Nordhalbkugel.“
Das spare Transportwege. Die untersuchte Löwenzahnart ist sehr genügsam und würde im Anbau nicht mit der Nutzung von Ackerflächen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion konkurrieren. Zur Deckung der Kosten im Zusammenhang mit der Teilnahme am internationalen Wettbewerb in Paris hat die Stadt Marburg 2024 einen Zuschuss von 2.000 Euro gewährt.

* pm: Stadt Marburg

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