Marburger Forschende haben die Mutationen des Tumorgens „TP53“ umfassend charakterisiert. Das hat die Philipps-Universität am Dienstag (7. Januar) mitgeteilt.
Mit der Analyse von über 9.000 Mutationen legen Marburger Forschende Grundlagen für personalisierte Krebstherapien. Ein Forschungsteam der Philipps-Universität hat umfassende Erkenntnisse über das „TP53“-Gen gewonnen, das als das am häufigsten mutierte Gen bei Krebserkrankungen gilt. Erstmals wurde das nahezu vollständige Spektrum der Mutationen dieses Gens systematisch analysiert. Mit Hilfe moderner „CRISPR“-Technologie konnten die Wissenschaftler*innen um Dr. Julianne Funk und Prof. Dr. Thorsten Stiewe vom Institut für molekulare Onkologie die Auswirkungen von über 9.000 Mutationen im „TP53“-Gen auf die Fitness von Tumorzellen detailliert charakterisieren. Sie berichten über ihre Forschung im Fachmagazin „Nature Genetics“.
Das „TP53“-Gen ist ein sogenanntes „Tumorsuppressorgen“, das Zellen vor unkontrolliertem Wachstum schützt und somit die Entstehung von Krebs verhindert. Mutationen in diesem Gen führen bei etwa der Hälfte aller Krebspatienten zu einem Verlust dieser Schutzfunktion. Werden solche Mutationen vererbt, können sie zudem das Risiko für Tumorerkrankungen im Laufe des Lebens erheblich erhöhen. Doch die Vielfalt an „TP53“-Mutationen – über 2.000 Varianten sind bekannt –
hat bisher eine gezielte Nutzung in der klinischen Praxis erschwert. „Die Ergebnisse unserer Studie bieten nun eine solide Grundlage, um die klinische Relevanz jeder einzelnen Mutation besser einzuordnen“, erklärte die Erstautorin Dr. Julianne Funk.
„armlUnsere Arbeit ermöglicht eine präzisere Bewertung, ob eine vererbte Mutation das Krebsrisiko erhöht oder harmlos ist“, erklärte Institutsleiter Prof. Dr. Thorsten Stiewe. „Das ist ein entscheidender Fortschritt für die humangenetische Beratung.“
Darüber hinaus konnten therapeutisch relevante Mutationen identifiziert werden, die das Ansprechen auf Chemotherapie, Bestrahlung oder moderne molekulare Therapeutika beeinflussen. Einige dieser Mutationen eröffnen vielversprechende Ansätze für neuartige Therapien: Mutationen, die das RNA-Spleißen verändern, konnten mit Splice-Switching-Oligonukleotiden korrigiert werden. Mutationen, die die Proteinstruktur destabilisieren, wurden durch Arsen-Verbindungen, wie sie bereits routinemäßig in der Therapie von Leukämien eingesetzt werden, wieder stabilisiert. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten, Behandlungen individuell auf Patient*innen mit spezifischen „TP53“-Mutationen abzustimmen.
Die Studie zeichnet sich durch eine innovative Methodik aus: Statt Mutationen künstlich zu überexprimieren, wurden sie erstmals direkt im Erbgut der Zellen erzeugt. „Durch den Einsatz der CRISPR-Technologie konnten wir das komplexe Zusammenspiel zwischen Mutationen und ihrer Funktion im natürlichen Zellkontext analysieren“, berichtete Klimovich die die methodischen Grundlagen während ihrer Promotion legte.
Die Studie ist das Ergebnis einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit. Dr. Julianne Funk leitete die Hochdurchsatz-Screenings, unterstützt von der Core Facility Genomics der Philipps-Universität. Die bioinformatische Analyse wurde von Dr. Marco Mernberger und Katharina Humpert umgesetzt. Ergänzend trugen Strukturbiolog*innen der Universität Frankfurt zur Interpretation von Struktur-Funktionsbeziehungen bei, während Epidemiolog*innen der Pariser Universität Sorbonne TP53-Mutationsdaten von mehr als 100.000 Patient*innen analysierten und bereitstellten. Gefördert wurden die Arbeiten durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) und den LOEWE-Schwerpunkt iCANx.
* pm: Philipps-Universität Marburg