Solidarische Praxis: Einige Erinnerungen an Dietrich Möller

Seine größte Stärke war sein Interesse an Menschen. Dietrich Möller hatte ein phänomenal gutes Personengedächtnis.
Leute, die ihm ein einziges Mal begegnet waren, erkannte er auch Tage später noch wieder und erinnerte sich an die Umstände, unter denen er sie getroffen hatte. Als Oberbürgermeister der Stadt Marburg war das eine absolute Trumpfkarte für ihn wie auch für die Stadt. Von 1993 bis 2005 amtierte der gebürtige Dortmunder im Rathaus der Universitätsstadt Marburg. Im Alter von 87 Jahren ist Dietrich Möller am Samstag (28. Dezember) gestorben.
Im Alter von 35 Jahren zog Möller 1972 in den Kreistag des Altkreises Marburg ein, dem er auch nach der Ausweitung zum Landkreis Marburg-Biedenkopf im Jahr 1974 weiterhin angehörte. Erst 1994 schied er aus dem Kreistag aus. Von 1978 bis 1993 war er zudem Abgeordneter im Hessischen Landtag, wo er als agrarpolitischer Sprecher und schließlich auch stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion fungierte.
1993 trat Möller als erster direkt gewählter Oberbürgermeister Marburgs die Nachfolge von Dr. Hanno Drechsler an. Zwölf Jahre lang füllte er dieses Amt aus, in das er 1999 mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt wurde. Dabei saß er mehrmals zwischen den Stühlen, weil er seiner Partei zu liberal und vielen Linken zu konservativ war.
Überzeugt haben die Wahlberechtigten indes sein Anstand und seine Hilfsbereitschaft. Statt großer Worte setzte es sich mit Taten auch im Stillen für benachteiligte Menschen ein. Respekt gegenüber Behinderten war für ihn ebenso selbstverständlich wie die gleichberechtigte Behandlung Homosexueller.
Gemeinsam mit seinem Parteifreund Friedrich Bohl engagierte er sich in seiner Partei für den Erhalt des einkommensunabhängigen Blindengelds in Hessen, das die CDU-geführte Landesregierung unter Roland Koch 2003 drastisch kürzen wollte. Dank Möllers und Bohls Einspruch fiel diese Kürzung deutlich geringer aus als ursprünglich geplant. Auch
wenn er öffentlich auf die besondere Betroffenheit Marburgs als „Stadt der Blinden“ hinwies, empfand er eine derartige Kürzung am Nachteilsausgleich einfach als „schändlich“.
Bereits vor Einführung der „Homo-Ehe wies Möller das Standesamt an, die Verpartnerung homosexueller Paare mit Trauungen heterosexueller Ehepaare gleichzubehandeln. Zur Begründung führte er an, dass die Verfassung diese Gleichbehandlung gebiete.
Sein Besuch bei einem Treffen der „Deutchen Burschenschaft“ (DB) im Erwin-Piscator-Haus (EPH) zählt dagegen nicht zu seinen Glanzleistungen. Dagegen setzte er sich 2003 für den Metzger Franz Becker ein, der wegen seiner Plakate gegen den Irak-Krieg mit einem Strafverfahren belegt worden war. Seine eigenen Kriegserlebnisse benannte Möller dabei als Mahnung, das Versprechen „Nie wieder Krieg“ weiterhin hochzuhalten.
„Solidarität“ war für Möller kein Fremdwort. Wünschenswert wäre, wenn mehr Menschen mit Rückgrat wie Dietrich Möller in der Politik wichtige Ämter in allen demokratischen Parteien bekleideten. Den ehemaligen Oberbürgermeister werden all die, die ihn näher kennenlernen durften, sicherlich nicht vergessen.

* Franz-Josef Hanke

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