Obus oder Tram: Spies will ÖPNV-Anbindung der Lahnberge weiter prüfen

Noch nicht vom Tisch sind die Pläne für eine Straßenbahn auf die Lahnberge. Das erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies am Dienstag (20. Februar).
„Die Nutzen-Kosten-Untersuchung für eine Uni-Tram liegt vor und zeigt, dass es erforderlich ist, an einigen Stellen jetzt noch einmal genauer hinzuschauen“, erklärte Oberbürgermeister Spies zu der – im Auftrag der Stadt von der PTV Consult GmbH erstellten – Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für eine schienengebundene Anbindung der Lahnberge an die Innenstadt. „Ich halte es für sinnvoll, das Gutachten durch weitere Prüfungen zu ergänzen.“
Das ergebe sich aus der Betrachtung einer Reihe von Annahmen im 30-seitigen Wirtschaftlichkeitsgutachten insbesondere in Bezug auf Wegebeziehungen und Investitionskosten. Der Oberbürgermeister benannte vor allem an fünf Punkten Prüfungs- und möglichen Korrekturbedarf als fachliche Grundlage für den weiteren Beratungs- und Entscheidungsprozess über eine Tram. Die vorliegende Untersuchung habe dafür wertvolle Anhaltspunkte geliefert.
Die Stadt Marburg stellt sich derzeit der Aufgabe, dem für die kommenden Jahre prognostizierten Anstieg von Studierenden- und Beschäftigtenzahlen am Uni- und Klinikumsstandort auf den Lahnbergen mit einer modernen ÖPNV-Anbindung an die Kernstadt gerecht zu werden und prüft unterschiedliche Optionen. Es geht um ein Angebot, das jeden Tag rund 10.500 Menschen morgens und abends zu den Lahnbergen und wieder herunterbringen kann.
Der Nutzen-Kosten-Untersuchung zur Uni-Tram war deshalb eine Konzeptstudie vorausgegangen, die für eine mögliche Straßenbahn-Trasse die Strecke von der Konrad-Adenauer-Brücke beim Südbahnhof über den Uni-Campus zum Universitätsklinikum nennt. Sie hat bereits bestätigt, dass diese verkehrstechnisch auch realisierbar ist.
Im zweiten Schritt geht es nun um die Wirtschaftlichkeit und damit auch Förderfähigkeit eines solchen Vorhabens. Untersucht werden für den volkswirtschaftlichen Nutzen beispielsweise mögliche Verlagerungen vom Autos auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Ein wichtiger Faktor bei der Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen und damit in der Konsequenz der Wirtschaftlichkeit einer Tram im Vergleich zu Bussen ist außerdem die erwartete Reisezeit. Die Nutzen-Kosten-Untersuchung für Marburg bezieht sich auf den in der Konzeptstudie genannten Abschnitt von der Adenauer-Brücke auf die Lahnberge.
Die Umsteigezeit von Zügen der Deutschen Bahn (DB AG) am Südbahnhof in eine mögliche Tram an der Adenauer-Brücke gehört somit zur Berechnung. Dort ist seit langem ein Umbau der DB-Station geplant. Im Zuge dessen sollen die Bahnsteige in Richtung Brücke verlagert und von dort aus der Zugang zur Brücke barrierefrei ermöglicht werden.
Diesen Umbau führt die Untersuchung nun zwar im Vorbericht noch auf; aber die dadurch verkürzte Umsteigezeit berücksichtigt die Studie anschließend nicht in ihrer Kalkulation. „Damit sieht die Rechnung bei der Reisezeit für die Tram besser aus, als bisher in der Analyse angenommen“, gab Spies zu bedenken.
Außerdem geht die vorliegende Nutzen-Kosten-Untersuchung davon aus, dass sich eine Tram den größeren Teil des Weges mit anderen Fahrzeugen teilen muss. „Das trifft jedoch nicht unbedingt zu“, erklärte der Oberbürgermeister. „Auf dem überwiegenden Teil der Streckenführung – ab Ecke Hölderlinstraße/Großseelheimer Straße bis zum Ziel auf die Lahnberge – steht ausreichend Platz für eine selbständige Trassenführung zur Verfügung.“
Das gelte auch auf einem dann neuen Weg ins Campusviertel und von dort aus zum Klinikum. Nur in Teilen der Großseelheimer Straße bestehe somit die so genannte „Fahrwegkonkurrenz“.
Entscheidend ist diese Frage, weil sich jeder Meter, den sich eine Tram mit anderen Fahrzeugen teilt, aufgrund der Annahme von höheren Unfallkosten und längerer Fahrdauer in der Wirtschaftlichkeitsrechnung negativ auswirkt. Auch die Förderfähigkeit wird mit dem Aspekt verknüpft, dass der überwiegende Teil des Fahrwegs auf einer eigenständigen Trasse erfolgt.
Des Weiteren regte der Oberbürgermeister an, das Potenzial einer Straßenbahn nicht – wie in der Nutzen-Kosten-Analyse bislang erfolgt – auf der Grundlage von standardisierten Schätzformeln des Autoverkehrs einzuordnen. „Wir sollten die Basis für eine Prognose der Nachfrage durch Zählungen verifizieren“, schlug Spies vor. „Nur so können wir ermitteln, für wie viele Menschen es tatsächlich attraktiv wäre, statt mit dem Auto mit der Tram zu fahren.“
„Zudem bewegen wir uns bei der Kostenschätzung der Untersuchung im oberen Bereich der uns bekannten Investitionskosten vergleichbarer Projekte“, stellte der Oberbürgermeister fest. „Deshalb ist die Frage zulässig, ob eine Marburger Uni-Tram bei eigener Trassenführung auf die Lahnberge tatsächlich so teuer wird.“
Die Studie geht derzeit von fast 10 Millionen Euro pro Kilometer aus. Nicht zuletzt nimmt die Untersuchung an, dass zusätzlich zur Tram die Buslinie 7 auf einer Teilstrecke weiter in Betrieb bleiben muss, um die ÖPNV-Verbindung vom Südbahnhof zur Innenstadt zu gewährleisten. „Für den Weg durch die Stadt wird der Bus als Linie 7 aber nicht mehr benötigt, weil dort ein halbes Dutzend anderer Busse fahren“, erläuterte Spies.
„Die Tram bleibt also eine Option“, resümierte Spies. „Um darüber zu entscheiden, brauchen wir aber meines Erachtens weitere Prüfergebnisse.“ Zunächst erhalten nun die Stadtverordneten die vorliegende Nutzen-Kosten-Untersuchung, um im März über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
„Das heißt aber nicht, dass wir bis dahin nichts tun auf dem Weg zu einem ÖPNV von der Kernstadt auf die Lahnberge, der auch den steigenden Kapazitätsanforderungen gerecht wird“, erklärte der Oberbürgermeister. „Wir arbeiten in der AG Mobilität 2020 der Stadtwerke für die Stadtbusse ohnehin an Fragen der E-Mobilität und anderer Antriebsformen wie das in Prüfung befindliche O-Bus-System. Das sowie die Untersuchung möglicher weiterer Alternativen sollten wir unabhängig von der Frage der Tram unbedingt weiterverfolgen.“
Zudem sieht die Stadt Marburg – wie im Radverkehrsplan beschlossen – die schnelle und sichere Erreichbarkeit der Lahnberge für Zweiradfahrer vor. Den Vorschlag einer gänzlich anderen Trassenführung für eine Schienenanbindung der Lahnberge indes hat der Magistrat bislang nicht aufgegriffen.

* pm: Stadt Marburg

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