Inklusion initiieren: Leuchtfeuer an Ottmar Miles-Paul verliehen

Leuchtfeuer

Das Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte wurde an Ottmar Miles-Paul verliehen. (Foto: Amelie Berting)

„Wie kaum ein anderer Leuchtfeuer-Preisträger hat Ottmar Miles-Paul Geschichte geschrieben“. Der Behindertenrechtsaktivist Miles-Paul ist der 20. Preisträger des Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte.

Die Preisverleihung des Marburger Leuchtfeuers der Humanistischen Union und der Stadt Marburg fand am Montag (3. Juni) im Erwin-Piscator-Haus statt. Zu diesem Anlass hatte sich, wie die Laudatorin Malu Dreyer kommentierte, „die ganze Community“ um den Preisträger Miles-Paul versammelt.

Der gebürtige Schwabe Miles-Paul ist seit Jahrzehnten in der Behindertenrechtsbewegung aktiv und ist selbst seh- und hörbehindert. Er studierte Sozialwesen in Kassel, gründete die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) und war 5 Jahre lang Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz. Er setzt sich insbesondere für Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung ein. Ehrenamtlich betreibt er zudem die Internetplattform kobinet-Nachrichten. Außerdem hat er vor kurzem seinen ersten Roman herausgebracht.

Zu der Feierstunde im EPH begrüßte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Er freute sich über die Verleihung des Marburger Preises an Miles-Paul: „Es ist etwas, das unsere Stadt ehrt und auszeichnet.“ Er betonte, dass Miles-Pauls Leitsatz „nicht über uns, sondern mit uns“ für alle gelten müsse, die besonderer Gleichstellung bedürfen.

Im Namen der Humanistischen Union Marburgs sprach Vorsitzender Franz-Josef Hanke. Er plädierte gegen Gewalt in der Demokratie und den Schutz des ersten Satzes des deutschen Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das Grundgesetz zu schützen sei die Pflicht aller, denn „den Stand einer Demokratie erkennt man an dem Umgang mit ihren Schwächsten“. Ottmar Miles-Paul habe sich durch seinen besonderen demokratischen Einsatz für Recht und Gleichstellung den Preis besonders verdient.

Die Laudatio wurde von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer gehalten. Sie bekundete die persönliche Ehre, die Laudatio für „einen unvergleichbaren Menschen und Aktivisten“ halten zu dürfen. Sie erinnerte sich an die besonderen Jahre der Zusammenarbeit. Miles-Paul hätte zu dieser Zeit eigentlich ein Sabbatjahr einlegen wollen, nahm aber das Amt des Behindertenrechtsbeauftragten an, obwohl er weder einer Partei zugehörte, noch aus Rheinland-Pfalz kam.

Rheinland-Pfalz wurde durch seine Hilfe das erste Bundesland, das einen Aktionsplan für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) aufstellte. Die UN-BRK eröffnete erstmals die Perspektive, dass die Barrieren im Alltag nicht die „Schuld“ von Menschen mit Behinderungen seien, sondern aus dem Lebensumfeld heraus entstünden. Nach dem Erfolg des UN-BRK Aktionsplans, erzählte Dreyer, veranstaltete Miles-Paul spontan eine Party im Bundesrat. Noch nie hätten so viele Menschen mit Einschränkungen durch die Sicherheitsschranken gemusst.

„Die Demokratie zu verteidigen ist manchmal ganz schön anstrengend, aber machen Sie bitte weiter“, bat Dreyer den Preisträger. Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte der Gesellschaft, aber der Kampf für Barrierefreiheit sei noch lange nicht vorbei. „Mit Behinderungen ist zu rechnen und es gibt noch viel zu tun“, zitierte die Laudatorin einen Essay von Miles-Paul.

Die Preisbegründung trug der Juryvorsitzende Egon Vaupel vor. Er plädierte in seiner Ansprache für mehr Inklusion in Vereinen. Außerdem berichtete von dem inklusiven unify-Fußballteam Marburgs. Ein junger und wie Vaupel betonte im Leben erfolgreicher Trainer sprach ihn nach einem Training an und sagte, dass das die Mitarbeit im Team eine der besten Geschichten seines Lebens sei.

Vaupel lobte Miles-Pauls herausragenden Einsatz, zum Beispiel bei der Etablierung des Internationalen Tages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai, der Impuls zur Umbenennung der Aktion Mensch, der Gründung der ISL und von kobinet-Nachrichten. Miles-Paul habe Geschichte geschrieben und sei trotzdem so bodenständig, freundlich und verbindlich wie kein anderer.

Zum Schluss sprach die ehemalige ISL-Bundesgeschäftsführerin Prof. Dr. Sigrid Arnade, die Miles-Paul 1999 ins Amt folgte. Sie zeichnete ein Bild, wie die Welt aussähe, wenn es Ottmar Miles-Paul nicht gebe. Zum Beispiel würde der Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ im Grundgesetz fehlen. Die Aktion Mensch würde noch Aktion Sorgenkind heißen. Im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz würde es das Wort „Behinderung“ nicht geben. Die Selbstvertretung von Menschen mit Lernschwächen wäre nicht auf dem heutigen Stand. Das Bundesteilhabegesetz, das Miles-Paul durch eine angekettete Nacht am Reichstag und einem Sprung in die Spree verteidigte, würde es nicht geben. „Danke, dass du ein unerlöschliches Leuchtfeuer bist und bleibst“, schloss Arnade ab.

Ottmar Miles-Paul wurde nach den Redebeiträgen die Skulptur „Das letzte Rückgrat“ verliehen, die wie eine menschliche Wirbelsäule aussieht. Miles-Paul sprach in einer Dankesrede von seinem Bezug zu Marburg und zu den Herausforderungen und Chancen, die der aktuellen Behindertenpolitik noch bevorstehen. In diese Legislaturperiode solle noch die Barrierefreiheit für alle durchgesetzt. Es müsse auf viele Mitstreitende gesetzt werden, um die Demokratie zu verteidigen.

Außerdem betonte er, dass nur „seinen Teil“ getan hätte und alle Erfolge auch nur gemeinsam hätten erstritten werden können. Die unterstützenden Kräfte in seinem Leben sowie Güte und Menschlichkeit seien ihm besonders wichtig: „Wir vergessen oft, dass ein gutes, wohlwollendes Herz enorm wichtig ist.“ Damit dankte er seiner Frau Susanne Göbel.

In seiner Dankesrede ging Miles-Paul außerdem auf viele der Redner ein, die sagten, dass er kein Lob annehmen könne: „das Lob entgegenzunehmen wurde mir nicht in die Wiege gelegt“. Zu Hause wurde nämlich gesagt „net gschimpft ist globt gnug“. Aber er gestand zu, den Funken des Leuchtfeuers gerne anzunehmen und weiterzutragen.

*Laura Schiller

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