Auf der schiefen Bahn: Eine Zugfahrt, die ist lästig

Der Stadtbus kommt pünktlich. Auf unseren Regionalzug müssen wir jedoch warten.
Mit gut fünf Minuten Verspätung fährt die Regionalbahn in Richtung Frankfurt am Samstag (23. März) in den Marburger Hauptbahnhof ein. Mit ebensoviel Verspätung fährt der Zug dann auch los. Bei Niedderwalgern jedoch erklärt eine Stimme über das Mikrofon den Reisenden, dass dieser Zug nur bis Gießen fahren werde und sie dort alle umsteigen müssten.
Bis zum Haltepunkt „Gießen-Oswaldsgarten“ fährt die Regionalbahn dann weiter wie gehabt. Erst vor dem Gießener Hauptbahnhof wiederholt die – nun bereits bekannte – Stimme erneut, dass in Gießen alle aussteigen müssten. Der Zug ende dort.
In einem anderen Zug erreichen wir dann Bad Nauheim. Wir kommen dort ungefähr eine Dreiviertelstunde später an als geplant. Glücklicherweise haben wir dort aber keine wichtigen Termine.
Ein starker Regenguss trübt unsere Stimmung ein wenig. Aber dann kommt die Sonne durch; und wir laufen um den großen Teich im Kurpark herum. Ein paar wärmende Sonnenstrahlen und viel frische Luft lassen echte Ausflugsstimmung aufkommen.
Bei der Rückfahrt erweist sich die Deutsche Bahn AG dann aber wieder als verlässliche Verderberin aller potenziellen Pläne für Ausflüge und Reisen: Der Zug wird mit fünf Minuten Verspätung angekündigt. Eingefahren ist er dann aber schon zehn Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit. Bei der Ankunft im Marburger Hauptbahnhof hat er diese Verspätung schließlich auf eine Viertelstunde ausgedehnt.
Bei anderen Fahrten machen Reisende noch viel problematischere Erfahrungen mit der Unzuverlässigkeit der Bahn. Verlass ist bei ihr allein darauf, dass man sich auf sie nicht verlassen kann. Doch selbst das ist niemals garantiert.
„Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige“, sagt ein altes Sprichwort. Doch die Deutsche Bahn ist keine obrigkeitsstaatliche Institution mehr, sondern nicht einmal ein öffentliches Staatsunternehmen, wenngleich der demokratische Staat immer noch ihr Eigentümer ist. Doch allzu lange haben neoliberale Regierungen die Bahn stiefmütterlich behandelt und ihre Erneuerung auf´s Abstellgleis geschoben.
Inzwischen ist der Pünktlichkeitsgrad der Deutschen Bahn AG auf 60 Prozent abgesunken. Vor Jahren noch waren 90 Prozent ein echter Aufreger. So ändern sich die Zeiten und mit ihnen die schiefe Bahn, auf die die Deutsche Bahn seit ihrer Privatisierung abgerutscht ist.
Bei alledem stellt sich der rechtschaffene Bürger die Frage, ob das staatseigene Unternehmen für den Verkauf von Fahrscheinen mit Zugreservierung nicht eigentlich eine besondere Zulassung bräuchte: Angesichts der Unzuverlässigkeit bei den Angaben zu Abfahrts- und Ankunftszeiten mutiert der Fahrscheinkauf doch geradezu zu einem Glücksspiel. Wäre da nicht eine Glückspiellizenz nötig und das Verbot, Fahrscheine an Minderjährige und Spielsüchtige zu verkaufen?

* Franz-Josef Hanke

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