Von Planet zu Planet: „Der Kleine Prinz“ im HLTM

Prinz

Bärbel Maier und Peer Damminger spielten in "Der Kleine Prinz". (Foto: Laura Schiller)

Nur mit dem Herzen Theater sehen, Theater spielen: Am zweiten KUSS-Tag war die KiTZ Theaterkumpanei aus Ludwigshafen mit „Der Kleine Prinz“ zu Gast.

Im Rahmen des Kinder- und Jugendtheaterfestivals „KUSS“ spielte am Dienstag (12. März) die Gastgruppe im Hessischen Landestheater Marburg (HLTM). Das Bühnenstück wurde von Bärbel Maier verfasst, die selbst auch mitspielte. Die Inszenierung basiert auf der berühmten Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry.

Es beginnt, wie es beginnen muss: ein Pilot stürzt über der Sahara ab, sein Flugzeug liegt in Trümmern, sein Wasservorrat schwindet von Tag zu Tag. Der Pilot, gespielt von Peer Damminger, tost über die liebevoll gestaltete Bühne, hängt seine Bomberjacke an einen lebensgroßen Kaktus und erzählt dem Publikum von seinem Leben.

Als er die Hoffnung schon aufgeben möchte, taucht ein kleiner Junge mit grünem Overall und gelber Kappe auf – es ist natürlich der kleine Prinz, gespielt von Bärbel Maier. „Mal mir ein Schaf“, bittet er den verdurstenden Piloten, als er zunächst den Kaktus gießt, anstatt ihm Wasser zu geben.

Auch wenn der Pilot diese Aufgabe für den kleinen Prinzen nur unzufriedenstellend erledigen kann, so fängt er trotzdem an, fantastische Geschichten zu erzählen. Von seinem Heimatplaneten zum Beispiel, dem Asteroiden B612, den er mit seinem Raumschiff, einer Gießkanne, verlassen hat. Dieser ist nicht größer als ein Haus und erlebt am Tag 24 Sonnenauf- und -untergänge. Dort wuchern gefährliche Affenbrotbäume und es gibt drei Vulkane, die der kleine Prinz ausfegen muss. Und dort lebt die Rose, die der kleine Prinz so liebt.

Auch erzählt er von anderen Planeten: einer hat einen strengen König, der ständig vernünftige Befehle erteilt. Der Pilot soll auch Befehle erteilen oder sein Untertan sein, aber der Pilot möchte nicht mitspielen. Er wird laut, flucht und schreit den kleinen Prinzen an. Dieser weint: „Du bist so böse zu mir, ich habe doch nichts gemacht, ich wollte nur spielen“.

Die Entschuldigung des Piloten kann allerdings nicht ernst gemeint sein, sie ist nur schnell dahin gesagt, um den weinenden „Kleinen“ zu beruhigen. Kurz darauf gebietet er ihm schon wieder, still zu sein und versucht ihn eigennützig auszutricksen.

Dass der Pilot frustriert ist, ist verständlich. Er ist seit Tagen ohne Wasser in der Wüste und er blickt dem Tod entgegen. Dennoch stört dieses aggressive Verhalten in einem Kindertheaterstück. Vor allem, als der Pilot beginnt, Alkohol aus einem Flachmann zu trinken.

Dem kleinen Prinzen gegenüber nennt er das zwar sein „Benzin für Erwachsene“, aber er verhält sich danach nur verstärkt aggressiv und betrunken. Der kleine Prinz erzählt dann von einem Planeten mit einem „Herrn Säufer“, der sich sehr für sein Saufen schämte. Der Pilot meint daraufhin, er schäme sich für gar nichts.

Auch in Saint-Exupérys Erzählung gibt es die Passage mit dem Säufer. Der Besuch des kleinen Prinzen auf dessen Planeten ist nur sehr kurz, da er sich so vor ihm erschrak.

Dieses Erschrecken und die Scham sollen vermutlich auch im Stück erzeugt werden, was aber nicht sonderlich gut gelingt. Eher muss man hinterfragen, ob Alkohol jetzt die Lösung für die schwierige Situation sein soll. Der Pilot ertrinkt seine Probleme lieber in seiner „Benzinreserve“, als sich emotional mit ihnen auseinanderzusetzen. Zum Glück erinnert ihn der kleine Prinz daran, dass seine Frustration kein Grund ist, andere traurig zu machen. Zum Glück gießt der Pilot den restlichen Alkohol in den Sand, scheint er doch anzufangen, den kleinen Prinzen zu verstehen.

Auch die Figur des kleinen Prinzen zeugt von Überschwänglichkeit. Sein heiteres Äußeres zerbricht, als er einen emotionalen Zusammenbruch erleidet, weil er seine Rose vermisst. Wie ein Kleinkind im Supermarkt liegt er auf dem Boden, fuchtelt mit Armen und Beinen und weint hysterisch.

Auch im Originaltext ist der kleine Prinz ein Wesen voller Emotionen: mal glücklich, unbeschwert und frei, mal überheblich und theatralisch, mal in sich gekehrt, besonnen und unendlich traurig. Der Pilot funktioniert eher als stiller Beobachter, fasziniert von seinem kleinen Freund und dessen Geschichten.

Dass in der Inszenierung beide Figuren voller Emotionen und Gefühlsausbrüchen sind, wirkt eher unpassend und überstimulierend. Es zerstört die Ruhe, die der Originaltext ausstrahlt.

Das Stück bekommt allerdings gegen Ende doch wieder die Kurve: in der „Brunnenszene“ finden der kleine Prinz und der Pilot endlich ein Wasserloch. Dieses wird wunderschön mit Lichteffekten auf der Bühne dargestellt. Der Pilot gesteht, dass er es ohne den kleinen Prinzen nicht geschafft hätte. Endlich erzeugt die Inszenierung in dieser Szene auch die Melancholie, Ernsthaftigkeit und Magie, für die das Buch so bekannt ist.

Ebenfalls die Inszenierung „gerettet“ hat das junge Publikum, das sich am Dienstagnachmittag im Großen TaSch versammelt hatte. Die Propellergeräusche sowie die unterhaltsamen Dialoge wurden mit begeistertem Lachen rezipiert. Als der Pilot lamentierte, dass er kaum noch Wasser habe, fragte ein Kind: „Und was isst du?“. Als er sagte „In der Wüste gibt es gar nichts, das ist Fakt“, meldeten sich einige Kinderstimmen aus dem Publikum, dass es eben doch was gebe. Sand und Kamele, zum Beispiel.

Man merkte deutlich, dass die Kinder die Inszenierung besser verstehen konnten als jeder Erwachsene im Raum. Natürlich gibt es etwas in der Wüste, natürlich muss der Pilot auch etwas essen. Natürlich ist die Gießkanne des kleinen Prinzen sein Raumschiff, natürlich kann der Pilot sein Flugzeug reparieren und es nach Hause schaffen. Erwachsene können versuchen, noch so viele philosophische Motive in „Der Kleine Prinz“ zu finden. Wirklich verstehen kann man es erst, wenn man es durch Kinderaugen – oder eben mit seinem Herzen – sieht.

Am Ende des Buches muss der Pilot mit ansehen, dass der kleine Prinz von der Schlange „getötet“ wird. Doch er weiß, dass er nur seinen Körper zurücklässt, um zurück zu seinem Planeten zu reisen. Als der Pilot wieder aus der Sahara zurückkehrt, muss er noch viel an ihn denken. Er hofft, dass ihn irgendjemand irgendwann wieder trifft. Darum bittet den Leser um einen Gefallen: „Lasst mich nicht so traurig: Schreibt mir, sobald er wiedergekommen ist.“

Im Stück kann der Pilot sein Flugzeug zwar auch reparieren, doch lässt er den kleinen Prinzen – lebend – in der Wüste zurück. Der kleine Prinz hilft dem Piloten noch, den Propeller zu starten und winkt ihm hinterher, als er davonfliegt.

Als er wieder zu Hause ankommt, sagt der Pilot: „Von meinem kleinen Prinzen erzähle ich nichts. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt da war.“ Vielleicht liegt hier der größte Fehler und der Grund für die Unstimmigkeiten der Inszenierung. Sie hat nicht daran geglaubt, dass es den kleinen Prinzen wirklich gibt.

*Laura Schiller

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