Vortrag zur Klimagerechtigkeit: Yi Yi Prue sprach in Marburg

Prue

Die Redner des Vortrags "Climate Justice" im TTZ. (Foto: Amelie Berting)

Die Klima- und Menschenrechtsaktivistin Yi Yi Prue hat Marburg besucht. Am Dienstag (27. Februar) sprach sie im Technologie- und Tagungszentrum (TTZ) von ihren Erfahrungen mit Flutkatastrophen in ihrer Heimat und ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Organisiert wurde der Vortrag mit dem Titel „Climate Justice“ von der Humanistischen Union (HU) Marburg, in Kooperation mit dem Weltladen und dem Verein Kulturelle Strömungen. Die Idee dazu sei bei der Fritz-Bauer-Preisverleihung der HU in Rastatt gekommen, erzählte Vorsitzender der HU Marburg Franz-Josef Hanke. Dieser ging an die Kläger der sogenannte „Klimaklage“. Sie hatten 2021 vor dem BVerfG gefordert, dass sich Deutschland auch international, insbesondere in Südasien, für Klimaschutz einsetzen muss. Das BVerfG gab ihnen Recht.

Die aus Bangladesh stammende Anwältin Yi Yi Prue war Mitklägerin. Damit war sie die erste Verfassungsklägerin, die keine deutsche Staatsangehörigkeit hatte. „Es geht um viel mehr als um Klimaschutz, es geht um humane Gerechtigkeit weltweit“, erinnerte Hanke. Denn Prues Kampf für Demokratie und Klimagerechtigkeit legt immer ein besonderes Augenmerk auf Menschen, die besonders davon betroffen sind.

Bürgermeisterin Nadine Bernshausen begrüßte Prue im Namen des Magistrats. Sie wies auf die Stadtgeschichte hin, dass Elisabeth von Thüringen ebenfalls Barmherzigkeit gegenüber armen Menschen forderte, und das erste Speisegesetz hervorbrachte. Dieses besagte, dass Bäuerinnen und Bauern von ihrer eigenen Hand auch leben können müssen. Auch sei Marburg Teil des Klimabündnis und setze sich für indigene Volksgruppen ein, die von Klimafolgen betroffen sind.

Als Juristin sei Bernshausen besonders beeindruckt von Prue. Prue habe Geschichten gesammelt von Menschen in Nepal und Bangladesh, die vom Klimawandel extrem bedroht sind und sie vor das BVerfG geführt. „Meine Hoffnung ist, dass sie uns allen helfen, und Perspektiven eröffnen, auch in einer Minderheitenrolle die Stimme zu erheben und unglaubliches zu leisten und zu erreichen“, richtete die Bürgermeisterin das Wort an Prue.

Prue erzählte bei ihrem Vortrag von ihrer Heimat, der indigenen Volksgruppe der Marma in den Chittagong Hill Tracts im Südosten Bangladesh. Diese Region sei besonders von Erdrutschen betroffen. Sie selbst erinnere sich an die katastrophale Zerstörung, die bei einem Erdrutsch in ihrem Heimatdorf in ihrer Kindheit angerichtet wurde.

Zunächst wurde sie Anwältin, um die Marma vor Diskrimination zu schützen, denn sie wollten Rechte an ihrem Land zurückfordern. Als 2017 in einem Monsun mehr als 100 Menschen bei Erdrutschen ums Leben kamen und viele die Chittagong Region verlassen mussten, besuchte und sprach sie mit den Opfern. „Es war klar, dass die Naturkatastrophe von Menschen verursacht wurde“, erklärte Prue. Grund dafür sei zum Beispiel die radikale Abholzung der Wälder, die den Boden zu sehr auflockerte.

Prue arbeitete mit vielen internationalen Anwälten zusammen, so auch mit dem Menschenrechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger, der auch für die „Recht auf unsere Zukunft“ Klimaklage vom Frühjahr 2021 bekannt ist. Gemeinsam wollten sie die für den Klimawandel mitverantwortlichen Nationen in Handlungspflicht bringen. Aber zu beweisen, dass der Klimawandel die Erdrutsche verursache, sei gar nicht so einfach, und Präzedenzfälle seien zudem sehr teuer. Also reichten sie eine Verfassungsbeschwerde ein.

Dafür reiste Prue nach Bangladesh und Nepal, um mit den Opfern von Klimakatastrophen zu sprechen. Viele indigenen Klimaflüchtlinge mussten zum Beispiel ihre Reservate verlassen, um in den Großstädten zu arbeiten. In einem Munda-Dorf im Mangrovenwald, berichtete Prue, zögerten die Bewohner*innen ihr Wasser anzubieten, da ihr Grundwasser sehr dreckig und stark verseucht war. „Es ist wichtig zu verstehen, dass die Klimakrise bereits jetzt viele Menschen in ihrem täglichen Leben betrifft“, machte Prue deutlich.

Dabei haben die Menschen, die am stärksten betroffen sind, am wenigsten dazu beigetragen. „Stellen Sie sich vor, Sie leben mit der ständigen Angst, ihre Freunde und Familie zu verlieren.“ Denn Zyklone, Überschwemmungen, Monsune und Erdrutsche werden immer häufiger. Außerdem sei es nicht einfach, langfristige Schutzmaßnahmen zu etablieren. Andere Sorgen würden nach Bestehen einer kurzfristigen Krise wieder wichtiger werden.

Prue erinnerte daran: „Was heute unsere Situation in Bangladesh ist, kann morgen unsere Situation in Europa werden.“ In Europa habe man noch keine Angst vor Klimafolgen, da sie hier die Menschen noch nicht so stark betreffen. Doch Prue plädierte auf Mitgefühl für die Opfer des Klimawandels und deren Angehörige: „Ist ihr Schmerz kein Schmerz?“

Doch sie wolle nicht um Hilfe betteln, sondern hofft auf gegenseitige Unterstützung. Die Aufmerksamkeit für die Klimakrise werde allerdings immer weniger. „Wir dürfen diesen wichtigen Kampf für die Menschheit nicht vergessen, denn früher oder später wird es die ganze Welt betreffen“.

Marginalisierte Gruppen, wie indigene Völker, dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. In ihrem Kampf für Menschenrechte versucht Prue auch, auf die Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten hinzuweisen, mit der Frauen in Bangladesch zu kämpfen haben. Und sie versucht, die Stimme ihrer Heimat in Deutschland zu sein.

Denn obwohl Politiker*innen in der Pflicht sind, gegen den Klimawandel vorzugehen, geht alles nur sehr langsam. Viele Menschen seien schon gestorben. In Deutschland lebe man in einer Box und vergesse schnell, was in der Welt passiert. Sie betonte, dass es deswegen wichtig sei, immer das Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels beizubehalten.

Prues gesamter Vortrag mit Übersetzung von Ada Spieß sowie die Redebeiträge von Hanke, Bernshausen, Lina Blumenröder vom Weltladen und der Moderatorin Paula Weppert gibt es auf dem YouTube Kanal „Onlinezeitung marburgnews“ zu sehen. Prue reiste von Marburg weiter nach Bremen, um dort bei einer internationalen Klimademonstration zu sprechen. Auch in Marburg findet am Freitag (1. März) eine ähnliche Veranstaltung statt, Treffpunkt ist um 15 Uhr vor dem Erwin-Piscator-Haus (EPH).

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