Nachruf: Friedensforscher Johan Galtung gestorben

Johan Galtung ist tot. Der Begründer der Friedens- und Konfliktforschung starb am Samstag (17. Februar) in Bærum.
Geboren wurde Galtung am 24. Oktober 1930 in Oslo. Während des Zweiten Weltkriegs musste er mitansehen, wie Nationalsozialisten seinen Vater verhafteten. Dem obligatorischen Militärdienst entzog er sich durch einen sozialen Ersatzdienst.
All das prägte Galtung schon früh. 1959 gründete der Mathematiker und Soziologe in Norwegen mit „Prio“ das erste Friedensforschungsinstitut Europas. 1969 berief die norwegische Regierung auf den weltweit ersten Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung.
Mit einer eigenen wissenschaftlichen Methode definierte Galtung die Begriffe „Strukturelle Gewalt“ und „Kulturelle Gewalt“. Kaum jemand wird ernsthaft bestreiten, dass auch bestimmte Bedingungen eine Form von Gewalt darstellen können, die Anforderungen an Menschen nicht unmittelbar mit körperlichem Druck durchsetzen. Für sein herausragendes Engagement auch bei der praktischen Vermittlung in Konflikten weltweit zeichnete die Right Livelihood Foundation ihn 1987 mit dem sogenannten „Alternativen Nobelpreis“ – dem „Right Livelihood Award“ aus.
Schon früh hatte Galtung sich mit der Philosophie Mahatma Ghandis und seines gewaltfreien Widerstands gegen die britische Kolonialmacht in Indien auseinandergesetzt. Dieser Ansatz der sogenannten „Sozialen Verteidigung“ oder des „Sozialen Widerstands“ begegnete mir Anfang der 80er Jahre während meines fridenspolitischen Engagements bei den Grünen. Persönlich kennengelernt habe ich den norwegischen Friedensforscher dann bei einer Konferenz zur Gründung eines Städtebündnisses für Frieden in Köln.
Jahre später bin ich ihm dann mehrmals in Marburg wiederbegegnet. Enge Beziehungen unterhielt Galtung dort mit dem Zentrum für Konfliktforschung (ZfK) der Philipps-Universität. Mehrmals besuchte er Marburg und hielt Vorträge an der Philipps-Universität.
Noch im hohen Alter reiste Galtung nach Marburg an, um hier Workshops mit Studierenden durchzuführen. Offensichtlich genoss er den Umgang mit jungen Menschen und ihre Offenheit. Auch er selbst pflegte einen unorthodoxen Diskussionsstil
Nicht zuletzt das brachte ihm schließlich den Vorwurf des angeblichen Antisemitismus ein. Auf die Frage eines Besuchers im Publikum einer Veranstaltung nach den angeblichen „Protokollen der Weisen von Zion“ hatte er zurückgefragt, ob der Fragesteller sie gelesen habe. Diesen typischen Humor haben viele nicht verstanden.
Bei einer Pressekonferenz in Marburg erklärte er einmal seinen Ansatz zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts: Der gesamte Nahe Osten sollte sich zu einer gemeinsamen Freihandelszone zusammenschließen. Als Vorbild dafür nannte er die Europäische Union (EU).
Noch sei das völlig unvorstellbar, bedauerte Galtung. Doch in Europa wäre der Zusammenschluss Deutschlands und Frankreichs zu einer gemeinsamen politischen Union in den 30er und 40er Jahren auch vollkommen undenkbar gewesen. Alle Menschen in Israel und Palästina, denen er diese Idee vorgeschlagen habe, hätten sie für sinnvoll, aber unrealistisch gehalten, berichtete er damals in Marburg.
In den letzten Jahren hat sein messerscharfer Verstand allmählich etwas nachgelassen. Doch weiterhin blieb Galtung auf den sogenannten „Sozialen Medien“ aktiv. Trotz mancher Kritik bleibt von ihm aber garantiert die Erkenntnis, dass Gewalt nicht erst mit Schlägen oder Drohungen beginnt und dass Friedfertigkeit der beste Weg zur Lösung von Konflikten ist.

* Franz-Josef Hanke

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