Premiere: „WOYZECK“ im Erwin-Piscator-Haus

Woyzeck

Woyzeck aufgeführt im Erwin-Piscator-Haus. Foto: Amelie Berting

Die Premiere von „WOYZECK“ fand am Samstag (17. Februar) im Erwin-Piscator-Haus (EPH) statt. Die Inszenierung betrachtet die Hauptfigur Franz Woyzeck unter den Einflüssen der heutigen Zeit.

Vor Beginn der Aufführung des Hessischen Landestheaters Marburg (HLTM) teilten Regisseurin Eva Lange und Bühnenbildnerin Cosima Wanda Winter, sowie Christian Keul als Zuständiger für die musikalische Untermalung ihre Gedanken zu dem Dramenfragment von Georg Büchner mit dem vollbesetzten Konferenzraum im EPH. Hinter den letzten Stuhlreihen standen Menschen an der Wand und lauschten. Woyzeck sei auch heute aktuell: Der Mensch sei geschwächt durch die Strukturen der Arbeit und nur ein Job reiche kaum aus. Burnout sei kein Phänomen des Einzelnen mehr und damit stehe fest: Woyzeck steckt in jedem von uns.

Während das Publikum seine Plätze einnahm, warteten die acht Darstellenden in identischen Kostümen wie versteinert an der hintersten Wand, bis das Licht erlosch und sie gemeinsam das schwarze Klavier geradeaus schoben. Neben dem Klavier erschien die Bühne beinahe leer. Nur noch ein beleuchteter Pfad zog sich bis nach vorne an den Rand der Bühne. Es schien, als bestehe der Pfad aus schwarzem Kunstschnee, doch er verhielt sich wie Dreck oder Staub: Schwarze Partikel blieben an der Kleidung kleben, wurden aufgewirbelt und glitzerten im Licht.

Je nach Szene bewegten sich die Scheinwerfer hinauf oder hinab und begrenzten den Raum der Darstellenden. Während sie sich unter ihnen hinweg duckten oder auf dem engen Pfad hektisch zwischen ihnen hindurch rannten, sorgten sich Teile des Publikums bis zum Schluss, dass jemand im nächsten Moment mit einem Scheinwerfer kollidieren könnte. Das einzige, was an diesem Abend zu Bruch ging, war die vierte Wand, die Bühne und Zuschauerraum trennte. Die Darstellenden nahmen mehrmals Kontakt zum Publikum auf und reagierten schließlich auf das Schulterzucken einer Frau aus der ersten Reihe.

Langes Interpretation von Büchners Werk machte mit einem alternativen Ende um die Figur Marie auf ein weiteres wichtiges Thema aufmerksam: Femizid, häusliche Gewalt und der Umgang mit Aggressionsbewältigung sind nicht bloß nebensächliche Kapitel in der Geschichte des Hauptcharakters, sondern Realität für viele Frauen außerhalb der Literatur. Die ungehemmte Zusprache aus dem Publikum untermauerte, wie viel Anklang die Neuinterpretation fand. Was am Ende blieb, war keine Frage sondern eine Tatsache: Es ist viel möglich.

* Amelie Berting

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